Ich war gerade drei Wochen in Ladakh/Himalaya auf einer bewegenden Reise zurück zu meinen Wurzeln: 42 Jahre Ladakh, 30 Jahre Friends of Lingshed, 25 Jahre Solarschule & 26 Jahre Weltweitwandern.

„We are having here a Education Revolution in Lingshed!“ – Lehrerin Thinlas Lhamo

„I can earn my own money now. That is all, because of your project! – Internatsbetreuerin Lobsang Angmo, die gerade ihren Soziologie Master macht.

Bei meinem ersten Besuch 1991 war Lingshed ein extrem abgelegenes Dorf im indischen Himalaya: 4.000 Meter hoch, nur nach tagelangen Fußmärschen über 5000m hohe Pässe erreichbar, ohne Strom, ohne Straße – und vor allem ohne jede Schulbildung. 1993 startete ich dort den ersten Unterricht mit zwei Lehrer:innen in einer Ruine. Diese Woche bin ich aus Ladakh zurückgekehrt, wo heute ein Flatscreen an der Wand der modernen „Lingshed Government High School“ hängt und 19 Lehrkräfte knapp 100 Schüler:innen bis zur 10. Klasse unterrichten.
Was dazwischen geschah, ist meine persönliche Geschichte, die erzählt wie eine „verrückte Idee“ auf einer Trekkingtour meinem Leben einen ganz starken Sinn gegeben hat – und was sich da alles Unglaubliches daraus entwickelt hat.

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Wie alles begann

1991 entdeckte ich das abgelegene Bergdorf Lingshed auf einer Trekkingtour mit meinem Bruder Peter. „Wir wollten damals fünf Wochen ohne Straßenberührung in eine Richtung wandern und kamen so auf den Westhimalaya“, denke ich heute zurück. Als ich sah, dass es im Dorf Lingshed keine Schulbildung gab, beschloss ich spontan, für meine Diplomarbeit eine Schule zu planen.
Zwei Jahre später – 1993 und inzwischen diplomierter Architekt – startete ich dort den ersten Unterricht mit zwei Lehrer:innen in einer Ruine. Wir begannen in einem halb zusammengebrochenen Gebäude, in dem Ziegen herumkletterten. Was als „verrücktes“ studentisches Projekt begann, wurde dann zu meiner Lebensaufgabe und hat mein Leben maßgeblich verändert.

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Mein Projekt wächst

1995 gründete ich zusammen mit Mitwirkenden den Verein „Friends of Lingshed“, sammelte Spenden und realisierte 1999–2000 gemeinsam mit der Dorfbevölkerung den Bau der „Lingshed Solar School“ – vollständig solarbetrieben und für die damalige Zeit revolutionär.
Um das Projekt zu finanzieren, kündigte ich meinen festen Architektenjob und organisierte die ersten Wanderreisen nach Ladakh. Das war die Geburtsstunde von Weltweitwandern – heute einer der führenden Anbieter für nachhaltige Wanderreisen. Seit dieser Anfangszeit ist soziales Engagement also fix in der DNA von Weltweitwandern verankert.

1999–2000 realisierte ich, gemeinsam mit der Dorfbevölkerung den Bau der „Lingshed Solar School“, hier mit den Lehrer:innen beim 25 Jahre Jubiläum am 1. Juni 2025

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Von der Ruine zur Bildungsrevolution

Was ich 1993 mit den zwei Lehrer:innen Thuktschey und Dolkar begann, ist heute ein modernes, inzwischen von der indischen Regierung übernommenes und ausgebautes Schulzentrum mit knapp 100 Kindern und 19 Lehrkräften.
Viele der heutigen Lehrenden stammen aus Familien, die selbst nie Schulbildung erfahren hatten und diese durch unser Projekt bekommen haben.
„You know Christian: We have here an education revolution!“ – das war für mich der schönste Satz und die tollste Bestätigung, als mir Lehrerin Thinlas Lhamo stolz die Auszeichnung als „beste Schule des Bezirks“ zeigte.
Was mich besonders beeindruckt: Ein Großteil alle Lehrkräfte sind weiblich und aus der Region – echte „Frauenpower“! Wie Thinlas Lhamo, das einstige Hirtenmädchen, das damals um die Teilnahme am Unterricht kämpfen musste. Die Familie hatte sechs Kinder und jede Menge Arbeit. Heute ist sie begeisterte Lehrerin und erklärt mir stolz ihre modernen Unterrichtsmethoden: „Playwise methods like Montessori.

Ein Großteil alle Lehrkräfte sind Absolvent:innen unserer Schule und weiblich  – echte „Frauenpower“!

 

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200 Dorfbewohner:innen feierten mit mir

Der emotionale Höhepunkt meiner diesjährigen Reise war das große Jubiläum: 200 Dorfbewohner empfingen mich mit Blumen, weißen Gebetsschals und einem großen Fest – bei meiner Ankunft gehe ich durch ein „Spalier“ lächelnder Schulkinder, Lehrerinnen, Mönche und Dorfleute zur Solarschule. Ich musste fast heulen vor Rührung.

Wir feierten gemeinsam 30 Jahre „Friends of Lingshed“ und 25 Jahre Solarschule – mit Tänzen, Ansprachen und bewegenden Begegnungen mit ehemaligen Schüler:innen und Patenkindern. Und ich als einziger westlicher Ehrengast mitten drinnen!

Vor meinem Zimmer im Gebäude der Solar-School war ein Plakat: ‚Welcome Christian to your Home.‘ Das war pure Gänsehaut“, denke ich zurück. Ich werde heute quasi als Ehrenbürger empfangen – in einem Dorf, das sich dramatisch gewandelt hat.

Die Solarschule selbst ist übrigens nach 25 Jahren noch immer in erstaunlich gepflegtem Zustand: frisch gestrichene Fensterrahmen, weiße Wände – und vor allem sehr warm! Die Beheizung durch die Sonne funktioniert also bestens.

Bei meinem diesjährigen Besuch traf ich auch Lobsang Angmo wieder – deren Babyfoto bei mir zu Hause an der Wand hängt. Sie stammt aus einer der ärmsten Familien des Dorfes, ihr Vater Joungphel war mein Freund. Angmo studiert heute für ihren Soziologie-Master und arbeitet hier als Internatsbetreuerin.
„Ich verdiene jetzt mein eigenes Geld – und ihr habt das möglich gemacht“, sagte sie zu mir. Gänsehaut pur.

Der emotionale Höhepunkt meiner diesjährigen Reise war das große 30 Jahre-„Friends of Lingshed“ – Jubiläum

 

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Wie sich der Alltag in Lingshed verändert hat

Was mich heute besonders beeindruckt: Wenn die 100 Kinder morgens um halb zehn Uhr in ihre blitzblauen Kappen und Hemden schlüpfen, beginnt für sie eine ganz besondere Zeit. Sie singen die indische Hymne, beten zu Manjushri, dem buddhistischen Bodhisattva für Weisheit, machen Morgensport – und werden dann in einer echten Ganztagsschule bis nachmittags betreut.

Das ist völlig anders als zu Hause, wo Arbeiten angesagt ist: Schafe hüten, Holz tragen, den kostbaren Dung von Yaks und Ziegen sammeln. Die Eltern vieler Kinder können selbst nicht lesen und schreiben – genau wie damals bei Thinlas Lhamo, dem einstigen Hirtenmädchen.

83 Familien, zirka 700 Menschen leben heute in Lingshed – und nochmals zirka 300 weitere in den fünf benachbarten Dörfern Yulchung, Neraks, Skiumpata, Dibling und Gongma.

Ein großes Dankeschön an folgende Menschen:

Sonam Dorjey (unermüdlicher örtlicher Projektkoordinator), Petra Schinagl (Obfrau Friends of Lingshed), Greta Kostka (ehemalige Obfrau Friends of Lingshed), Geshela Nawang Changchup (gelehrter Ratgeber und Projektinitiator), Carmen Tatschl-Hlade (meine Frau) Dawa Thinless und Kunzang, Tashi Tundup, Diskit und Rigzin – Yartsa, Nawang Phangday (alle 7 – ihr sind meine “ladakhische Familie !)”, Petra Maier-Wailand,  Klaudia Jost, Eva Khil, Lisbeth Brugner-Ayadi. Elisabeth Smonig-Seidnitzer, Irmi Lusser, Florian Kraft, Shakya Joungphel, Eshey Angmo, Thinless Gyatso, Stanzin Thinless, Thuktschey, Jamphal Thakpa, Karma Teacher, Dolkar, Lama Tsewang, Lama Sandrup, Lobsang Angmo, Lobsang Dolma, Amchi Tsering Dolma, Sonam Wangtak, Karma Zagpo (CEO), uvam.!

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Guide-Training: Investition in die nächste Generation

Ein zentraler Baustein zu Beginn meiner aktuellen Reise war ein fünftägiges, intensives Guide-Training in Leh. Zusammen mit meinem langjährigen Ladakh-Partner Isi und Kollegin Manu bildeten wir sieben lokale Guides weiter – in Sicherheitstraining, Höhenanpassung, Erste Hilfe, Nachhaltigkeit und der Weltweitwandern-Philosophie.

„Unser Team ist nun richtig gut vorbereitet für die Saison“, freue ich mich. Ein besonderer Moment: Die Begegnung mit Thinless Gyatso, der vor über 30 Jahren als eines der ersten Patenkinder unterstützt wurde und heute als erfahrener Mountain-Guide in unserem Team steht. „Ruhig, verantwortungsvoll, Vater von zwei Kindern – in seiner Haltung erkenne ich seinen Vater wieder, einen langjährigen Weggefährten“, denke ich bewegt. Sein Vater, mein Freund  Joungphel ist leider inzwischen tragisch verstorben, aber in seinem Sohn lebt sein Geist weiter.

Ein zentraler Baustein zu Beginn meiner aktuellen Reise war unser fünftägiges, intensives Guide-Training in Leh.

 

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Neue Routen durch das versteckte Zanskar

Nach der Guide-Ausbildung und den Feiern in Lingshed erkundete ich mit unseren Local Guides Dorjey, Kaleyan und Partner Isi neue Trekkingrouten durch Ladakh und das spektakuläre Zanskar-Tal – Grundlage für unser neues Weltweitwandern-Programm „Ladakh, Zanskar und Lingshed“. Diese neue Wanderreise führt zu legendären Klöstern wie Phuktal, Alchi und Phugtal, und bietet spektakuläre Blicke die Gletscher der 7.000er Nun und Kun und das Karakorum-Gebirge.

Der Wandel im Himalaya ist deutlich spürbar: Was früher fünf Tage Fußmarsch und ein Tag Autofahrt von Lingshed nach Leh erforderte, ist heute eine acht Stunden dauernde Autofahrt. Der National Highway wird aus militärischen Gründen ausgebaut, bald soll die Fahrt nach Leh nur noch vier Stunden dauern. „Das verändert alles“, stelle ich fest.

Auch für den Tourismus: Der berühmte Zanskar-Trek und der Markhavalley-Trek existieren durch den Ausbau der Strassen nicht mehr – neue Routen müssen nun von uns entwickelt werden.

Vieles hat sich verändert: Neue Straßen schlängeln sich durch die Felswände, werden buchstäblich in die Bergflanken gesprengt. Orte, die früher nur über wochenlange Trekkingtouren erreichbar waren, sind jetzt an die neue Straße angeschlossen.

Das Wesentliche ist aber geblieben:

  • Die tiefe buddhistische Spiritualität der Menschen und von Klöstern wie Phugtal, das wie ein Schwalbennest in der Felswand klebt
  • Die gewaltigen Himalaya-Eindrücke – weisse Gletschergipfel, die die weite Ebene bei Padum überragen
  • Die unglaubliche Herzlichkeit der Menschen.

Zanskar bleibt magisch – trotz aller Straßen noch immer eines der entlegensten bewohnten Täler der Erde. Das ehemalige Himalayakönigreich zeigt sich auch heute noch genauso überwältigend wie damals, als wir zum ersten Mal ehrfürchtig vor diesen gewaltigen Bergriesen standen.
Die Wege und Klöster in Zanskar werden nach wie vor sehr selten bereist, ich war heuer tagelang der einzige Tourist dort –  (m)ein Geheimtipp: Unsere bewegenden WWW-Ladakh-Reisen

Das Kloster Phugtal in Zanskar

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Von meiner „verrückten Idee“ zum Reiseunternehmen Weltweitwandern und mehr…

Aus den ersten organisierten Gruppenreisen 1999/2000 zur Finanzierung meines Projekteinsatzes in Lingshed, ist Weltweitwandern heute zu einem gesunden Unternehmen mit über 30 Mitarbeiter:innen in Graz und weltweit an die 600 Partner:innen, Guides, Staff gewachsen. Weltweitwandern bietet nachhaltige Wanderreisen in aktuell 80 Länder und setzt konsequent auf kleine Gruppen, lokale Partner & Guides und authentische Begegnungen. Ladakh und Marokko waren unsere allerersten Reisen.

Dazu wurde ich auch Vater dreier Kinder und bin Autor von drei Wander-Büchern über Wandern und bewusstes Reisen.

Aktuell wandelt sich nun meine Rolle als Chef von Weltweitwandern weg vom operativen Tagesgeschäft: Strategie, Markenbotschafter, Ausbildner unserer großartigen Local Guides und seit März 2025 nun auch Gastgeber des neuen Weltweitwandern-Podcasts.

Aus meinen Himalaya- und Reise- Erfahrungen entwickelte ich im Laufe der Jahre noch Vieles andere mehr, ein ganzes Netzwerk sozialer Projekte:

  • Friends of Lingshed (30 Jahre): Unterstützt seit 30 Jahren kontinuierlich Schulbetrieb, Patenschaften, Stipendien und Erwachsenenbildung
  • Weltweitwandern Wirkt! (10 Jahre): Fördert Bildungsprojekte weltweit – von Nepal über Marokko bis Tansania. Gesamtinvestition bisher: 3 Millionen Euro.
  • Buddhismus im Alltag (6 Jahre): Organisiert Meditation und Retreats – in der tibetischen Tradition bei uns im Weltweitwandern Basecamp. Schau doch gerne mal vorbei, (live oder online) wir sind offen für Alle!

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Mein Fazit: Diese Reise war ein „Vollkreis-Moment“

Nach 43 Jahren Ladakh-Verbindung fühlte sich diese Reise nach Ladakh wie ein Vollkreis an. 1983 war ich zum ersten Mal hier – mit 19, ganz frisch nach der HTL-Matura. Von den ersten jugendlichen Träumen bis zu konkreten Bildungserfolgen – die Herzlichkeit der Menschen und die spirituelle Kraft dieser Landschaft erfüllen mich mit riesiger Dankbarkeit.

Ein Lebenswerk, mit dem ich hoffentlich auch Andere inspirieren und anregen kann: Manchmal kann eine spontane Idee eines jungen Menschen tatsächlich die Welt doch ein wenig positiv verändern – einen Schritt nach dem anderen.

PS:
Es ist schon wirklich lustig, wenn ich mich heute erinnere: Vor 42 Jahren war ich hier auf meiner viermonatigen Indienreise nach der HTL-Matura und habe damals Briefe nach Hause geschrieben – handschriftlich natürlich. Die sind drei Wochen unterwegs gewesen. Meine Mama hat sie dann bei ihr im Büro kopiert und per Brief weitergeschickt – an Freunde, Bekannte, Familie.
Also eigentlich war ich schon damals so etwas wie ein „Content Creator“ mit meinen Reisegeschichten an die Mama – nur halt mit vier Wochen Verzögerung! Heute tippe ich bei WhatsApp oder auf Facebook, und eine Sekunde später ist es da.
Aber im Prinzip: gleiches Storytelling, gleiche Leidenschaft fürs Unterwegssein und Erzählen.
Nur das Medium hat sich geändert.
Oder?
Smile!

 

GROSSE DANKBARKEIT!
Gewidmet allen Menschen in Lingshed und auch anderswo.
Mögen alle Wesen glücklich sein!

WWW-Ladakh-Reisen https://www.weltweitwandern.at/asien/ladakh
Friends of Lingshed https://www.lingshed.org
Weltweitwandern Wirkt! https://www.weltweitwandernwirkt.org
Buddhismus im Alltag: www.buddhismus-im-alltag.at
Mein neuer Weltweitwandern-Podcast https://www.weltweitwandern.com/podcast


 

Comment ( 1 )

  • Hermine Fröhlacher

    Vielen lieben Dank für deine Arbeit
    Wahnsinn was alles möglich ist wenn man das Herz am rechten Fleck hat.
    Ich liebe das Land Ladakh die Leute und die Landschaft
    Ich besteige heuer den Mentok,werde mal die Schule besuchen aber heuer geht es sich leider nicht aus.
    viele liebe Grüße aus Tirol
    und Danke Danke Danke

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