Ein wichtiger Gastkommentar von Robin Menges (www.igfb.org / sie war mit WWW in Marokko), die für mich die Wurzeln unserer aktuellen Situation in Bezug auf Zuwanderer und die große Anziehungskraft von populistischen Parolen für viele Menschen extrem klar beschreibt:
Die Macht der Angst
Angst ist ein Grundgefühl, ein Gefühl, das sich in bedrohlich empfundene Situationen in Besorgnis und Erregung äußert.
Wie viele von Euch auch beschäftigen mich die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse dieser Tage. Was mich dabei am meisten beschäftigt ist die Macht der Angst.
Es stellen sich viele Fragen bezüglich des Umgangs mit Flüchtlingen, Herausforderungen der Migration, Umgang mit psychisch labilen Menschen. Aggression und Unberechenbarkeit, aber auch Unsicherheit durch Unkenntnis können verständlicherweise bedrohlich sein; können Angst auslösen.
Ich frage mich seit einiger Zeit, was wir als Gesellschaft mit dieser Angst machen können. Meiner Wahrnehmung nach bekommt die Angst politisch und gesellschaftlich einen Raum und eine Macht, die an sich gefährlich ist. Die Angst wird von der einen Seite, (diejenigen, die sich nicht bedroht fühlen) nicht ernst genommen und von der anderen Seite (diejenigen, die sich bedroht fühlen) als Berechtigung für Kontrolle und das Beharren auf traditionellen Werten gesehen. Die Angst berechtigt dann vermeintlich zu unmenschlichen Beschlüssen und Handeln, weil man das Eigene, die eigene Sicherheit und die Vorhersehbarkeit bedroht erlebt.
Können wir etwas neben die Angst stellen? Wie können wir diese Angst beruhigen? Angst lässt sich nicht wegerklären oder wegrationalisieren, lässt sich nicht ignorieren, lässt sich auch nicht einfach abstellen. Was brauchen wir als Gesellschaft und als Einzelne, um mit dieser Angst umzugehen und gleichzeitig die realen Herausforderungen, die sich uns und der Welt stellen zu meistern? Die Lösungen der „einen“ Seite sind derzeit keine Lösungen, die die „andere“ Seite stehen lassen kann. Sie beruhigen nicht ihre Angst.
Das Bedürfnis nach Sicherheit, nach Vorhersehbarkeit und nach Zugehörigkeit sind existentielle Grundbedürfnisse, die wir sehr unterschiedlich befriedigen. Wenn jemand Angst hat, braucht er die Anerkennung dieser Bedürfnisse. Er/sie braucht auch ein Gegenüber, anerkennendes Mitgefühl beruhigt Angst und lässt den Blick wieder weiter werden. Wie das politisch oder gesellschaftlich aussehen kann, weiß ich nicht, aber ich denke es ist eine Richtung in die wir denken können und Menschliches menschlicher machen können.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen menschlichen und menschenwürdigen Sommer! Und freue mich, wenn wir uns im Herbst beim Seminar oder im Lehrgang sehen und gemeinsam unsere Welt menschenwürdiger gestalten.
Robin Menges
Inhaltliche Leitung und
Geschäftsführung von IGfB_Internationale Gesellschaft für Beziehungskompetenz
http://www.igfb.org/
Ja, Angst ist ein effektiver Beweggrund, macht verwundbar und führt zu defensiven Haltungen. Dass Zuwanderung als Problem gesehen wird kann nicht weggeleugnet werden, ebenso wenig der der Umstand, dass die Angst machtpolitisch-populistisch geschürt und ausgenutzt wird. In hitzigen Auseinandersetzungen wird gerne vergessen, dass wir es mit Menschen zu tun haben. Die Begriffe ‚Flüchtling‘ und ‚Asylwerber‘ betreffen nur deren Status, werden aber im öffentlichen Diskurs und am Stammtisch oft mit ‚fremd‘ und daher ‚beängstigend‘ gleichgesetzt. Als jemand, der wie du, viel gereist ist, weiß ich, dass die Menschen, egal wo man ihnen auf der Welt begegnet, überwiegend und überwältigend freudlich, hilfsbereit, seelenvoll und tolerant sind. Die Betonung liegt auf ‚Begegnen‘. Ich denke, dass im Begegnen und Kennenlernen Angst abgebaut wird. Fördern wir Begegnung!
Im einem Kindergarten den ich mir auf der Suche nach einem Platz ansah, wird „Interkulturelle Erziehung“ als eigener pädagogischer Ansatz angeboten. D. h. es werden bewusst mit allen Kindern Feste anderer Kulturen gefeiert. Wenn zum Beispiel ungarische Kinder in der Gruppe sind werden die Eltern in die Gruppe eingeladen und gebeten mit allen Kindern ein Fest ihrere Nationalität zu feiern. Diesen Ansatz fand ich echt toll. Auch habe ich selbst vor Jahren mit mehreren Volksschulklassen ein Projekt „Tanz aller Weltreligionen“ durch geführt, indem Tänze aus verschiedenen Kulturen unterrichtet wurden. Ich werde nachdenken und mich melden falls mir ein konkretes Projekt einfällt.