GRAZ, IN DEN 80ER JAHREN.
Christian Hlade besucht in Graz die HTL und studiert anschließend in den 80er Jahren Architektur. Er stammt aus einer bürgerlichen, konservativen Grazer Familie. Die Eltern sind Kriegsflüchtlinge, der Vater arbeitet sich vom Maurer zum Bauunternehmer empor. Sie bauen in erster Linie auf Sicherheit, ihr Credo ist dementsprechend »Lern was Gescheites!«. Christian hingegen hat andere Vorstellungen; Abenteuerbücher von Autoren wie Heinrich Harrer, Herbert Tichy oder Stanislaw Lem inspirieren ihn, Selbstverwirklichungsliteratur wie Josef »Joki« Kirschner erweitert seinen Horizont. Von seinen Eltern nimmt er dafür das »unternehmerische Denken« und das Streben nach einer guten, abgeschlossenen Ausbildung mit – wofür er ihnen bis heute dankbar ist. So schließt Christian das Architekturstudium ab und arbeitet bis 1999 in verschiedenen Grazer Architekturbüros.
SEHNSUCHT -TRÄUME – INSPIRATIONEN – AUFBRUCH.
Christian vernimmt schon früh den Ruf aufzubrechen, wegzufahren, auf Reisen zu gehen, Neues zu entdecken. »Ganz stark war in meiner Jugend der Wunsch und die Entscheidung, dass ich raus will aus dem Umfeld, das meine Eltern vorgelebt haben. Diese Ahnung: Da muss es noch was anderes geben. Und damit verbunden eine Energie, das Andere zu suchen und zu finden.« Bereits mit 15, 16 Jahren ist er in den Ferien in der Toskana, Griechenland und in der Türkei als Autostopper unterwegs, mit 17 via Interrail in Marokko, mit 18 in Tunesien. Seine Reisen finanziert er mit Arbeiten neben Schule und Studium, am Bau bei seinem Vater und auf einem Biobauernhof. Ein Zufall eröffnet die Möglichkeit, seine Reisen durch Vortragstätigkeit zu finanzieren. Ab jetzt ist er oft monatelang österreichweit mit Diavorträgen unterwegs. Er hält hunderte Vorträge, in denen er seine Begeisterung für Reisen anderen Menschen vermittelt.
»ICH MACHE MEIN EIGENES DING«
Neben dem Wunsch, seine Träume zu verwirklichen, war immer auch schon der Wunsch da, diese zu seinem Beruf zu machen. Von den Hobbies (Reisen) auch leben zu können. »Ich suchte etwas Selbstbestimmtes, ich suchte etwas Unternehmerisches, das war auch schon sehr früh in mir und das elterliche Vorbild schon sehr prägend. Ich wollte aber unbedingt mein eigenes Ding machen.« 1992 erreicht Christian bei einer langen Wanderung durch den Himalaya das abgelegene Bergdorf Lingshed. Zurück in Österreich schreibt er seine Diplomarbeit über den Bau einer solarbeheizten Schule für das Bergdorf und startet zugleich das noch heute bestehende Bildungsprojekt »Friends of Lingshed« (www.lingshed.org).
1999, sieben Jahre später, beschließt er die Schule in Lingshed – damals fünf Wandertage von den nächstgelegenen Straße entfernt gelegen – auch tatsächlich zu bauen. Mehr als ein Jahr verbringt er damit, in Ladakh die Schule zusammen mit Dorfbewohner:innen umzusetzen. Um das zu finanzieren, organisiert er vier erste Wanderreisen mit Gästen nach Marokko und Ladakh. Das Sozialprojekt ist die Geburtsstunde des Reiseveranstalters Weltweitwandern und der soziale Anspruch ist seither fest in der DNA des Unternehmens verwurzelt. 1999/2000 kündigt Christian im Architekturbüro und gründet das Reiseveranstaltungsunternehmen Weltweitwandern.
PHASE DES ÜBENS. »ZEHN JAHRE SAGT MAN, MUSS MAN ETWAS ÜBEN, DAMIT MAN ES HALBWEGS GUT ZUSAMMENBRINGT.«
Der Einstieg ins Unternehmertum gestaltet sich am Anfang gar nicht so leicht. Österreich mit seinem restriktiven Gewerberecht ist ein schwieriger Boden, viele Hürden müssen überwunden werden. Dazu kommen die wirtschaftliche Unsicherheit und Ungewissheit, Mitarbeiter:innenverantwortung und auch ein neues Rollenverständnis als »Chef«. »Das war auch eine Herausforderung für mich. Jetzt ging es mehr darum, eine Struktur zu schaffen, nach innen zu kommunizieren. Während ich ja eher der bin, der Neues ausprobiert, nach außen drängt.« Als Quereinsteiger bekommt er viel Unterstützung vom Mitbewerb. Vor allem kleine, alternative Reiseunternehmen aus Deutschland sind hier sehr hilfreich. In Deutschland ist der Zugang zum Gewerberecht für Reiseveranstalter viel einfacher als in Österreich. Gemeinsam werden Reisen ausgeschrieben, auf allen Ebenen kooperiert und langjährige Freundschaften und Partnerschaften geschlossen.
DRAMATIK: CORONA WAR DIE CHALLENGE FÜR DAS UNTERNEHMEN.
Im Februar 2020 ist Weltweitwandern an seinem bisherigen Höhepunkt angelangt und bietet 254 Wanderreisen in 90 Ländern an. 37.700 Gäste sind bis dahin mit WWW verreist. Im Basecamp in Graz arbeiten 30 Mitarbeiter:innen, das Wachstum liegt bei über 20 Prozent … Doch dann kommt die Corona-Pandemie und über 3.000 Reisebuchungen müssen innerhalb weniger Wochen abgesagt und rückabgewickelt werden. Die ernüchternde Bilanz: Im Jahr 2020 konnten fast keine Reisen stattfinden. Die Zukunft war völlig ungewiss. Christian schildert die Phase als eine emotional sehr belastende Zeit: leere Büros, die Mitarbeiter:innen auf Kurzarbeit oder Bildungskarenz, drohende Insolvenz, 100.000 €/Monat an Personalkosten und keine Einnahmen … »Letztendlich haben die Gäste Weltweitwandern gerettet«, erzählt Christian Hlade. Die meisten Gäste stimmen einer Gutscheinlösung für ihre getätigten Anzahlungen zu. Der österreichische Staat hat zwar gut unterstützt, die Zahlungen kommen aber (fast) zu spät. Lest hier mehr über die dramatische und traumatische Zeit und wie es wieder aufwärts ging.
ERKENNTNISSE: »DER WEG ENTSTEHT BEIM GEHEN.«
Weltweitwandern hat die Krise überstanden, dem Unternehmen geht es heute gut. Was sind die Erkenntnisse, die aus dieser dramatischen Situation gewonnen werden konnten? »Demütig anzuerkennen, wie abhängig wir von einem guten und sicheren Umfeld sind. Erst wenn das gewährleistet ist, sind Kreativität und die Entwicklung von neuen Projekten möglich. Ich bin auch dankbar dafür, in einem sicheren Land mit diesem sozialen Netz zu leben, in dem man sich weiterentwickeln kann. Ich kann das jetzt sehr wertschätzen.« Vieles hat sich verändert: Kaum jemand arbeitet im Unternehmen 40 Stunden/Woche. 28 Mitarbeiter:innen, die fast alle unterschiedliche Wochenstunden haben, sind eine Herausforderung für die Unternehmensführung. Und es bedarf in diesen Zeiten auch einer Person im Unternehmen, die alles zusammenhält, die Verantwortung übernimmt und Entscheidungen trifft.
»Wir leben in Zeiten großer Veränderungen und so sehe ich auch ein Unternehmen als eine Bündelung von Energien, die im Fluss sind. Und so bin ich, aber auch die Mitarbeitenden in vielen verschiedenen Rollen im Unternehmen und in anderen Lebenswelten tätig und jede:r bemüht sich, seinen/ihren Beitrag zu leisten.« Ein Glaubenssatz zum Abschluss: »Diskutieren wir nicht zu lange. Gehen wir eine Sache einfach einmal zum Beispiel mit einem kleinen Testprojekt an. Probieren wir es aus und sammeln so Erfahrungen. Beim Ausprobieren entstehen dann wichtige Erfahrungen und damit kann man dann weitermachen und eine Idee oder ein Projekt entwickelt sich.«
dear Christian will get in contact Rolf Widerhofer from Tirol in Memory to Our common Friend Wik Schindlbacher