Beim Anflug auf die Insel São Vicente erblicke ich unter mir eine kahle, wüstenhafte Landschaft, und im Nu erlischt all meine Vorfreude auf den Besuch der Kapverdischen Inseln. Verdammt – in dieser steinernen Ödnis soll ich zwei Wochen lang wandern?

Nur einen Tag später – inzwischen in der üppig-tropischen Vegetation im Paúl-Tal auf der benachbarten Wanderinsel Santo Antão – verstehe ich meine Vorbehalte nicht mehr. Und nach einem zweiwöchigen Besuch kann ich sagen: Die Kapverden gehören zu den Highlights meiner bisherigen Wanderreisen.

Die frühere portugiesische Kolonie liegt am Schnittpunkt von Afrika, Amerika und Europa. Sie war Handelsstützpunkt und Startpunkt für Raubzüge. Portugal und Brasilien sind von hier gleich weit entfernt und die afrikanische Küste ist ganz nah. Man sieht Menschen asiatischer Herkunft, Menschen in sämtlichen Hautschattierungen. Als Besucher fühlt man sich hier sehr willkommen: Zum einen, weil der Tourismus eine große Zukunftshoffnung für das Land darstellt. Zum anderen, weil das „Kommen und Gehen“ von Menschen verschiedenster Herkunft immer schon zur Geschichte der Inseln gehört.

Mein erster Weg führt mich in die Hafenstadt Mindelo auf São Vicente, dem kulturellen Brennpunkt der Inselgruppe. Hier wurde die Sängerin Cesária Évora geboren, „die barfüßige Diva“; ihr ist ein ganzer Museumsflügel im ehemaligen Governor’s Palace gewidmet. Ihr Erbe ist hier äußerst lebendig. Am Abend spielen Livemusik-Gruppen überall schmachtende Liebeslieder, immer wieder auch „Sodade“, Sehnsucht, Cesárias bekanntesten Song.

Was mir gleich auffällt: Es geht alles viel gemächlicher zu als zu Hause. Die Kap Verden sind zwar nach Marokko das wirtschaftlich erfolgreichste Land Afrikas, aber ich sehe keine Geschäfte internationaler Ketten. Wenn du nicht viel kaufen kannst, nimmt das ganz viel Druck weg. Stattdessen gibt es Kopfsteinpflaster, alte Kolonialhäuser in verblichenen Farben und liebevoll per Hand gemalte Geschäftsschilder. Ich fühle mich wie in einem alten Film. Weniger Autos. Weniger Hektik. Mehr Zeit, mehr Musik und Tanz.

Der Tourismus steht erst am Anfang, man übernachtet in kleinen Pensionen am Meer, und wenn man sich zum Essen voranmeldet, tischen Bäurinnen frischen Fisch, Maniok und Süßkartoffeln auf. Die Stimmung ist wie in Griechenland vor 30 Jahren.

Nach einer kurzen Schiffsfahrt legen wir auf Sao Antão an. Erst sieht es wieder nach Ödnis aus, doch nach einer kurzen Fahrt auf den Hauptkamm blicken wir plötzlich weit in eine bizzar-grüne Schluchtenlandschaft. Mir scheint, ich bin in der Kulisse eines Fantasyfilms gelandet. Die Menschen haben hier überall, wo es möglich war, grüne Terrassenfelder angelegt. Oft nur einige dutzend Zentimeter breit, steil im Felsen gelegen. Dahinter senkrechte Wände aus Vulkangestein. Hier gedeihen Mangobäume und Granatäpfel, Kaffee, Bananen und sehr viel Zuckerrohr. Wir wandern durch die Terrassenfelder hinauf zu einem Sattel mit einem wunderschönen Überblick über die verzweigten Gebirgstäler. Viele abenteuerlich in die Felsen gebaute Fußwege verbinden die Dörfer.
Unvergesslich bleibt mir auch der Küstenpfad zwischen Cruzinha und Ponta do Sol: Bizarre Vulkanfelsen, Schluchten, blaues Meer, dazwischen wie auf Felsgrate aufgeklebte Dörfer und immer wieder die waaghalsig den Felsen abgerungenen Terrassenfelder. Landschaften mit andauerndem WOW – Faktor!

Klappe und Inselwechsel

Der vulkanische Pico do Fogo ist mit 2.829 Metern der höchste Berg des Kapverdischen Archipels und nach dem Pico del Teide auf Teneriffa der zweithöchste Berg im Atlantik. Klar, dass wir auf einer Wanderreise auch auf den höchsten Punkt der Inseln wollen: Oben am Krater dringen Schwefeldämpfe aus den Steinspalten, wir schauen über einen riesigen Vulkankrater hinaus auf die Weite des Ozeans und gnießen dann das Hinunterlaufen – es gleicht  fast einer Schiabfahrt – über hunderte Höhenmeter auf feinem Vulkanschotter.

Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir von dort oben die verrückten Bewohner des Kraterdorfs Chã das Calderas. Verrückt im positiven Sinn. Sie leben direkt ím Krater eines höchst aktiven Vulkans. Erst vor ein paar Jahren hat der Lavastrom die meisten Häuser hier mit sich gerissen. Unverdrossen haben die Bewohner alles wieder neu aufgebaut. Sie haben nicht einmal Trinkwasser hier oben, aber sie ziehen partout nicht weg, nein: Lieber machen sie hervorragenden Wein.

Beste Reisezeit: Baden kann man immer, die beste Reisezeit für Wanderer sind aber die trockenen und etwas kühleren Monate im Winter und Frühjahr von November bis Mai.
Beste Wanderung: Praktisch alle Wanderwege im Nordosten der Insel Sao Antão, speziell der Küstenweg zwischen den Fischerorten Ponta do Sol und Cruzinha. Der Aufstieg zum 2.829m hohen Vulkangipfel Pico de Fogo.
Besonderheiten? Die abwechslungsreichen sehr bizarren Landschaften, die wunderschön angelegten Wege, immer wieder Blicke auf den Atlantik
Literatur & Film: Cabo Verde – Reiseführer vom Verlag „Reise-Know-How“
„Das Kapverdenhaus“ von Ursula Koch, „Das Testament des Herrn Napumoceno“ von Germano Almeida
Aufpassen: Das Trinkwasser ist nicht überall unbedenklich, besser auf gekauftes Wasser in Flaschen vertrauen. Auch eher keinen Salat und rohe Nahrungsmittel essen. Die Sonnenintensität inkl. UV-Strahlung sind hier in der Nähe des Äquators besonders hoch: Beim Wandern Kopfbedeckung und langärmelige Hemden tragen, gut eincremen!
Geheimtipp:  So viele unterschiedliche Fischarten haben ich kaum zuvor genossen.
Wenn man in Mindelo ist, wird in vielen Lokalen dazu auch Livemusik „serviert“.

Reiseinfo: https://www.weltweitwandern.at/afrika/kapverden/

Fotos: https://www.facebook.com/pg/Weltweitwandern/photos/?tab=album&album_id=10155531461542030


 

Comments ( 3 )

  • Monika Koch

    Wir haben diese Reise im Jahre 2010 mitgemacht. Immer wieder denken wir gerne daran zurück. Wir haben 5 Inseln erwandert. Alle sind wunderschön und sehr unterschiedlich. Unvergessen bleibt die Wanderung auf den Pico di Fogo und den Aufenthalt bei Marisa samt dem köstlichen Essen sowie der Strand in Santa Maria. Diese Wanderreise bleibt unvergesslich in unseren Herzen. Vielleicht auf eine Wiederholung?

  • Liesi

    Das ist wirklich eine tolle Reise, die ich nur empfehlen kann. Den Titel halte ich jedoch für falsch. Leider ist die Globalisierung auch in Cabo Verde voll angekommen. So gehören praktisch alle Lebensmittelgeschäfte Chinesen, die auch sonst viel Geld auf CV investieren.

    • Christian Hlade

      Die Kap Verden sind ja seit ihrer Besiedlung „global“. Afrikaner, Europäer, Chinesen, Inder bilden schon seit langer Zeit die Bevölkerungsmischung – was ich aber (leider missverständlich) ausdrücken wollte: Es geht extrem ruhig und unhektisch zu auf den Kap Verden.

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