Tibet und den Kailash einmal zu sehen, das ist für viele ein Lebenstraum, und für mich war es das auch. Ich hatte schon so viele Geschichten darüber gelesen und Filme gesehen, von Heinrich Harrers „Sieben Jahre in Tibet“ über Herbert Tichys „Zum heiligsten Berg der Welt“, bis zur Tibet-Ausgabe von Hergés „Tim und Struppi“ und „Drei Frauen aus Tibet“ von Yangzom Brauen.

Und dann sind wir, 2010, erst einmal tagelang in Nepal festgesessen und es hat ausgesehen, dass wir gar nicht zum Kailash hinkommen: Es hat die ganze Zeit geregnet, sodass die kleinen Propellermaschinen nicht auf der Wiese unseres Zielortes landen konnten. Wir waren damals mit Luise und Günter Auferbauer dort, den zwei Grazern, die so viele Berg- und Skitouren-Bücher geschrieben haben. Ich war sehr angespannt und dachte: Da bringe ich diese erfahrenen Wanderautoren hierher und jetzt kommen wir nicht hin zum Kailash! Bis Günter gesagt hat: „Christian, mach dir keinen Stress, das ist am Berg halt so: Manchmal kommt man halt nicht rauf.“

Irgendwann hat der Regen aber doch aufgehört und wir konnten starten. Man fliegt da zum kleinen Dorf Simikot am Südrand vom Himalaya-Hauptkamm in eine extrem entlegene Gegend nahe der Grenze zu Tibet. Der Flieger landet auf einer holprigen Lehmpiste am Ende der Welt. Es ist schon eine etwas finstere Gegend, es ist echt hart, dort zu leben. Und je höher man hinaufkommt, desto härter werden die Lebensbedingungen. Das Gebiet wird versorgt wie vor tausend Jahren. Die Ziegen, die uns in großen Karawanen entgegengekommen sind, haben alle so kleine Packerln umgeschnallt, die mit Salz gefüllt sind. Das Fleisch kommt so mit dem Salz zu den Ackerbauern, auf dem Rückweg wird Reis und Getreide hinauf nach Tibet gebracht.

Und nach einigen Tagen Fußmarsch durch Täler und über hohe Pässe taucht dann das tibetische Plateau auf: eine wüstenhaft-weite Landschaft gewaltigen Ausmaßes voller Seen, und mittendrin steht allein der Kailash, für ganz Tibet und Indien das unverrückbare Zentrum, die Weltachse und das Symbol für das Paradies. Hier entspringen die Hauptflüsse des gesamten indischen Subkontinents: Indus, Yarlung Tsangpo, Satluj, Karnali und Ganges. Hier fängt alles an, darauf geht alles zurück. Viele Pilger kommen mit der Hoffnung her, hier zu sterben. Immer wieder sieht man 80-jährige und noch ältere Inder, die sich vor Höhenkrankheit und Schwäche kaum noch aufrecht halten können, aber hier ist man einer guten Wiedergeburt oder gar der Erlösung sehr nahe.

Wir haben dann beim Dri Ra Phuk-Kloster direkt unter der Nordwand des Kailash gezeltet, für mich der schönste Zeltplatz meines Lebens. Am nächsten Tag wanderten wir hinauf nach Shiwa Tsal, zum Ort, wo man sich rituell ein Haar abschneidet, einen Blutstropfen oder ein Kleidungsstück zurücklässt. Die Kora, die Umrundung des Kailash, symbolisiert einen Lebenszyklus: Du lässt das alte Leben hinter dir, gehst über den Pass und wirst neugeboren. Anschließend wanderten wir – fast im Zeitlupentempo und tief schnaufend – hinauf auf den 5.630 Meter hohen Pass „Dolma-La“: Die Weite, die Pilger, die sich auf den Boden werfen, all die bunten Fahnen, dazu die Lichtspiele, davor die Klöster am Weg, die Seen mit blutroten Algen, das große Leid der Tibeter im besetzen Land – ich bin da gesessen und habe plötzlich nur noch geheult. Ich war dort oben bei etwas tief in mir angekommen…

„Wer die rituelle Umwandlung des heiligen Berges mit vollkommener Hingabe und konzentrierten Geistes vollzieht, geht durch den vollen Zyklus von Leben und Tod“
Lama Anagarnika Govinda: Der Weg der weißen Wolken

Diese tiefe Berührung war dann sicher auch ein wichtiger Auslöser, dass ich ein paar Jahre später zum Buddhismus konvertiert bin. Ich hatte vorher ja schon jahrelang anderen Menschen als Reiseleiter den Buddhismus erklärt, aber immer nur „theoretisch“. Nach dieser Reise zum Kailash und etwas später zum Mt. Everest bin ich dann aber selbst in die Praxis der Meditation eingestiegen, die ich seither zur Schulung des Geistes betreibe. Man übt dabei Konzentration, Achtsamkeit, Liebe, Weisheit, Mitgefühl, den anderen stärker wahrzunehmen. Für mich bieten gerade die Methoden des tibetischen Buddhismus ideale Werkzeuge, um mich zu einem glücklicheren und weiseren Menschen weiterzuentwickeln. Mehrmals im Jahr ziehe ich mich zu mehrtägigen Retreats, einer Art Einkehrtagen, zurück, wo ich meditiere und schweige. Mit anderen zusammen habe ich dafür nun auch ein eigene Meditationsgruppe ins Leben gerufen: www.Buddhismus-im-Alltag.at

Obwohl ich den Buddhismus als Religion auch durchaus sehr kritisch sehe: Diese männlichen Hierarchien, die ganz ähnlich sind wie bei uns in der katholischen Kirche. Die Klöster als Landbesitzer beuten manchmal die Bauern aus, wie bei uns im Mittelalter. Oder die manchmal ungesunde Hörigkeit von Schülern gegenüber ihren Lehrern. Das brauchen wir wirklich nicht zu übernehmen.
Inzwischen entwickelt sich ja auch ein Buddhismus des Westens, befreit von den alten tibetischen Bräuchen. Wobei auch ich mich durchaus gerne zur Geistesschulung niederwerfe: Demut aktiv zu üben, tut mir als männlichem Firmenchef wirklich gut, um nicht abzuheben!

„Den großen und bleibenden Eindruck, den Tibet wohl auf alle Europäer gemacht hat, die das Glück hatten, dieses Land kennen zu lernen, liegt in der unendlichen Größe seiner Landschaft.
Doch ist es unmöglich Tibet mit Worten oder aber auch nur mit Bildern anderen nahe zu bringen.
Man müsste all die Stimmungen erzählen, die man in dieser Landschaft erleben durfte.
Sie sind aber flüchtig, sie tauchen auf, erfüllen einen ganz und verschwinden wieder, sie lassen sich nicht festhalten. Und vielleicht ist die Sehnsucht nach Tibet, die jeden begleitet, der es einmal erlebt hat, nur die Sehnsucht nach den Gedanken und Gefühlen, die dieses Land in ihm ausgelöst hat?“
Herbert Tichy: „Zum heiligsten Berg der Welt“

Planung
Die beste Reisezeit ist für mich…

Von Mai bis Anfang Oktober. Da herrscht zwar Monsun in Nepal – aber davor und danach sind die Pässe nicht passierbar und es ist beim Kailash auch zu kalt.

Die beste Wanderung, die ich dort gemacht habe, ist …
Der Weg über den Himalaya-Hauptkamm zum Kailash ist DIE Vorbereitung für die Kora – die Umrundung des Kailash. Für mich gehören beide untrennbar zusammen!

Was macht die Wanderung besonders?
Die ganze Landschaft um den Kailash „vibriert“ förmlich vor tiefer Spiritualität: die vielen PilgerInnen, die Gebetsfahnen und -steine, die Klöster, …

Toll finde ich diesen Wanderführer, dieses Buch:
Sieben Jahre in Tibet: Mein Leben am Hofe des Dalai Lama von Heinrich Harrer
Meine spirituelle Autobiographie von Dalai Lama
Tim und Struppi, Carlsen Comics, Tim in Tibet von Hergé
Flucht über den Himalaya: Tibets Kinder auf dem Weg ins Exil von Maria Blumencron
Eisenvogel: Drei Frauen aus Tibet – Die Geschichte meiner Familie von Yangzom Brauen
Der fremde Tibeter: Shan ermittelt (und weitere Tibet-Krimis der Reihe) von Eliot Pattison
Mein Weg durch Himmel und Höllen: Das Abenteuer meines Lebens von Alexandra David-Néel
Zum heiligsten Berg der Welt: Auf Landstrassen und Pilgerpfaden in Afghanistan, Indien und Tibet von Herbert Tichy
Trespassers on the Roof of the World: The Race for Lhasa von Peter Hopkirk
The Great Game: On Secret Service in High Asia von Peter Hopkirk

Filme: Sieben Jahre in Tibet, Kundun, Little Buddha, Der letzte Dalai Lama

Auf was muss man aufpassen?
Die große Höhe und das Klima in diesem Gebiet sind eine wirklich große Herausforderung. Eine Wanderung zum Kailash hat echten Expeditionscharakter!

Mein persönlicher Geheimtipp:
Das ist eine wirkliche „Once in a lifetime-Reise!“

Fotos: https://www.facebook.com/media/set/?set=a.282554482029&type=1&l=a90440d64b
Reiseinfos:
 https://www.weltweitwandern.at/asien/tibet/durch-westnepal-zum-kailash/


 

Comments ( 2 )

  • Kurt Tschabuschnig

    Ich kann deinen Blog-Beitrag 1:1 bestätigen. Ich konnte dank deines Reisebüros und den treuen Begleitern aus Nepal und Tibet (besonders möchte ich dabei Sudama Karki hervorheben) eine intensive Erfahrung bei der Kailashumrundung 2009 erleben. Mein Leben hat sich definitiv zu etwas besonderen verändert.

    Die Literaturliste würde ich nur noch mit den Büchern von Bruno Baumann, inbesondere „Kristallspiegel. Pilgerreise zum heiligen Berg Kailash „, ergänzen.

    Danke und liebe Grüße
    Kurt

  • Kurt

    Hi Christian, ich durfte mit Hilfe deines Reisebüros sowie den nepalesischen und tibetanischen Helfern (ausdrücklichen Dank an Sudama Karki) 2009 diese Reise miterleben. Es war einzigartig und veränderte mein Leben definitiv positiv. Ich kann dazu deine Worte nur 1:1 unterstreichen und bestätigen.
    Die Literaturliste würde ich gerne mit dem Leibnitzer Bruno Baumann ergänzen und dabei das Buch: „Kristallspiegel, Pilgerreise zum Kailash“ hervorheben.
    Liebe Grüße Kurt

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