Auszug aus einem Artikel über „Burn Out“ von Karin Klug, erschienen im August-Heft des Magazins „BIO“. Ich möchte mit meiner sehr persönlichen „Krisen-Geschichte“ anderen Menschen Mut machen, eine Lebenskrise nicht verschämt zu verstecken, sondern als große innere „Wachstumschance“ zu sehen. Das geht aber nur, wenn man damit arbeitet, sich aktiv Hilfe holt und die ganze Sache nicht einfach „verdrängt“!
Sehr offen berichtet Christian Hlade (48) von seiner großen Krise.
Er ist Gründer & Leiter von „Weltweitwandern“, das heuer in Berlin gleich zwei „Reise- Oskars“ eingeheimst hat und für sein Engagement in Sachen Nachhaltigkeit &
Unternehmerische Verantwortung (CSR) internationalen Ruhm erntet.
„Mein Grundmotiv war immer schon eine große Tatkraft und ein sprühendes Naturell -ich mach gern viele Sachen gleichzeitig, schöpferisches Tun ist mir wichtig.“
Dass er dabei im Laufe der Jahre seine Grenzen übersehen hat, kann der umtriebige
Unternehmer mittlerweile gut erkennen.
Der persönliche Hintergrund
Schon seine Eltern sind selbständig, haben eine Baufirma. Er erlebt sein Elternhaus als sehr leistungsorientiert, fordernd – „klar, da war alles im Aufbau damals, es war üblich, dass man immer gearbeitet hat“. Nach der HTL studiert er Architektur. „Mein Weg war eigentlich vorgezeichnet, ich sollte Nachfolger werden in elterlicher Firma“. Immer wieder bricht er jedoch aus, unternimmt lange Reisen, weg vom Einfluss der Eltern, versucht einerseits den von daheim vorgegebenen Weg weiter zu gehen und sich gleichzeitig neue, eigene Wege zu suchen. „Es war schon stressig, ich bin häufig zweigleisig gefahren, hatte Jobs in Architekturbüros und habe nebenbei als Reiseveranstalter gearbeitet.“
Seine Ansprüche, Ziele sind hoch, er will etwas auf die Beine stellen, tolle Projekte machen, aber er ist auch unsicher, Zweifel nagen an ihm – „da war ein permanenter Druck, gut sein zu müssen, ich hatte die Latte sehr hoch gelegt und die ganze Zeit etwas gesucht, wo ich gut sein kann… ich wusste nur, es war nicht die Architektur“.
Gründung & Aufbau der Firma Weltweitwandern
Christian Hlade studiert trotzdem fertig und geht im Jahr 2000 für sechs Monate nach Ladakh, um sein damaliges „Herzensprojekt“ zu verwirklichen – im Rahmen seiner Diplomarbeit baut er in einem abgelegenen Himalaya- Bergdorf eine solarbeheizte Dorfschule auf. Seine bisherige nebenberufliche Tätigkeit als Reiseveranstalter wird ausgeweitet, um diese „Auszeit“ zu finanzieren. Alles läuft bestens und so wird nach seiner Rückkehr 2001 das Reiseunternehmen „Weltweitwandern“ aus der Taufe gehoben. Es folgen Jahre des stetigen Firmenaufbaus, die Heirat mit Carmen, drei Kinder kommen zur Welt, ein Wohnhaus wird gebaut und schließlich noch ein Bürogebäude für sein Unternehmen – nach eigenen Vorstellungen und strengen ökologischen Kriterien. „Es war anstrengend, aber auch wunderschön – im Lauf der Jahre hatte sich alles erfüllt, meine Pläne sind materielle Wirklichkeit geworden“, so Hlade. Aber er sieht auch, dass er sich dabei stark übernommen hat, denn: 2010 ist das Bürogebäude fertig – und der Unternehmer ebenso. „Es ist damals alles zusammengekommen: das dritte Kind, die Firma leiten, nebenbei selber bauen, außerdem bin ich ein sehr ungeduldiger Mensch und bauen heißt auch, es geht um viel Geld, viel Verantwortung, Zeitdruck. Ich hab meine Kräfte falsch eingeschätzt… das Büro war fertig, und ich auch, ich hatte die totale Sinnkrise, keine Motivation mehr, keine Freude, nur mehr Erschöpfung, Müdigkeit…“
Aber Christian Hlade muss aus innerem Antrieb weitermachen, der Bürobau hat viel Geld verschlungen und in den Monaten der Bauzeit war sehr wenig Zeit sich um die Firma zu kümmern. Ängste, dass dies negative Auswirkungen auf das Geschäft hat kamen hoch.
„Also hab ich nochmals viel Energie reingepulvert, die Firma gestärkt“. Selber aber war er nur noch erschöpft – „und dann kommen die Dämonen, Ängste, Zweifel“.
Die Erschöpfung & Krise
Das große Eröffnungsfest im Juli 2011 steht er noch durch, „aber da hab ich schon gespürt, ich muss aufpassen, es geht so nicht mehr weiter, auch meine Frau, meine Mitarbeiter haben mir rückgemeldet, dass ich nur mehr planlos, zerfahren bin, nicht mehr konzentriert.“
Der Alarm kommt also schon von allen Seiten, von Familie, Freunden, Mitarbeitern.
„Damals im Juli 2011 gab es ein wirkliches schönes Fest, über 100 Leute sind gekommen. Aber danach bin ich in eine wilde Depressionen gefallen, bin einfach nicht mehr aus dem Bett gekommen, hatte tagelang kein Antrieb, die totale Lebenskrise.“
Seine Ziele hat er verwirklicht, aber seine Kraft war erschöpft. „Die nächsten Wochen waren arg, ich hab mich einfach nicht mehr ausgekannt, hatte Gedächtnislücken, Aussetzer im Hirn. Ich bin untergetaucht, hab nicht gearbeitet, konnte die freie Zeit aber auch nicht genießen, alles schien nur mehr düster und schwarz“. Christian Hlade hatte keine körperlichen Probleme – „meine Seele hat gestreikt, noch vor dem Körper, es war so etwas wie ein seelischer Schutzschalter, ich konnte nichts mehr tun, nur mehr liegen und schlafen.“ Hilfe anzunehmen schien damals noch unmöglich. Er will sich den Sommer freihalten, Druck rausnehmen und hat den Ehrgeiz: Ich schaff das allein! „Und so habe ich mich durchgewurschtelt, phasenweise ging´s besser, dann bin ich wieder abgesackt. Ich hab mich sehr verlassen gefühlt von allen, konnte aber gleichzeitig kein Hilfe annehmen, wenn jemand auf mich zugegangen ist, hab ich ihn wieder weggestoßen“. Auch seine Frau ist ratlos, macht sich Sorgen, es ist eine große Belastung für die Beziehung. „Und es war schwierig mit den Kindern, ich hab keinen Lärm ausgehalten, der Druck war da, ein guter Papa zu sein, das hab ich nicht erfüllt“. Christian Hlade quält sich nur mehr zwischen Aggression und Schuldgefühlen. „Und immer war da diese Angst, ich komm da nicht mehr raus, das bin ja nicht mehr ich, ich hatte keine Vorstellung, wie das wieder anders werden könnte“.
Der Wendepunkt
Der Wendepunkt kommt schließlich, als er irgendwann meint, er würde am liebsten abhauen. Denn seine Frau sagt: „Ja, fahr weg. So wie du jetzt bist, hab ich eh nichts von dir“. Von sich aus hätte er es wohl nicht gemacht – „ich kann doch meine Familie nicht im Stich lassen“. Aber das ok war von allen da. „Ich hatte die Erlaubnis von Carmen, dann bin ich in die Firma zu meinen Mitarbeitern gegangen und hab allen mitgeteilt, was los ist. „Ich nehme mir eine längere Auszeit!“ Und die Mitarbeiter beruhigen ihn: „Wir haben uns schon Sorgen gemacht, gut, dass du eine Auszeit nimmst, wir schaffen das schon!“
Schlagartig geht es Christian Hlade besser. „Ich hab sofort angefangen meine Reise zu planen“. Endlich war da die Erlaubnis: ich muss nicht der super Papa sein, nicht der ständig anwesende Firmenchef, der liebende Gatte, ich kann ganz für mich sein, Monate, viele Monate nur für mich…“ Diese Erlaubnis war entscheidend, war wichtig, endlich war der Druck weg. Der Reiseprofi packt seine Sachen und geht vorerst für zwei Monate nach Nepal, zum Wandern und in ein tibetisches Kloster.
Und wie hat der Unternehmer Christian Hlade seine Krise bewältigt?
„Im Nachhinein kann eine positiv überwunden Krise sehr wertvoll sein“, meint er.
Aber es sei Geduld nötig, ein zulassen, dass es einem schlecht geht. „Und es ist wichtig, sich Hilfe suchen. Sich mit sich selbst, seinem Körper zu beschäftigen.
Auch ganz wichtig: drüber reden, nicht verstecken. Kurzlösungen nützen nichts, bei großen Krisen ist eine große Lösung nötig.“
Der Weg war schon holprig, gesteht Hlade, da war viel Selbstreflexion nötig, ein Rückblick auf die vergangenen Jahre. Es galt Bilanz zu ziehen und neue Ziele zu definieren. Zentral war für ihn eine neue Achtsamkeit für seinen Körper, er fängt an mit Yoga, Körperübungen, aber ohne Leistungsdruck, vielmehr im Sinne von wahrnehmen, reinspüren.
„Ich hab auch viel gelesen, Wissen angesammelt, mir verschiedene Zugänge zu meinen Themen angeschaut – aus der Hirnforschung zum Beispiel, wie das vegetative Nervensystem funktioniert. Man muss so eine Lebenskrise immer von mehreren Seiten angehen“, findet er, über den Körper, den Geist und die Seele. „Ich achte heute weit mehr auf eine gesunde Balance meiner Lebensrollen“.
Hlade will auch künftig zeitweise sehr intensiv arbeiten, will dabei weiterhin sein Tempo 120 fahren. „Auf 70 reduzieren, langsamer schalten ist nicht mein Ding! Ich mach meine Sachen gern schnell, mache aber heute bewusst längere Regenerations-Pausen.
Ich will – wenn ich arbeite – mein Tempo nicht verlangsamen, denn Schnelligkeit, Leistung ist ja auch toll, aber es ist entscheidend zu spüren: jetzt wird es wieder zu viel.“
Hlade weiß heute besser, wann er an seine Grenze kommt, müde wird –„ ich weiß, dann kommen die negativen Gedanken“.
Deshalb sind regelmäßige Mini-Auszeiten und ab und zu auch längere Regenerationsphasen mittlerweile ein Muss. Er hält sich fix einzelne Tage frei, diese werden fein säuberlich im Kalender eingetragen, da gibt es keine Termine. Zweimal im Jahr besucht der Unternehmer mehrtägige Meditationsseminare. Er arbeitet wieder intensiv, aber „ich mach auch regelmäßig was für mich, gönne mir kleine Auszeitinseln im Alltag. Da gehe ich dann bergsteigen, Schifahren, Radfahren oder mache einen Waldspaziergang. Zeit in Ruhe und Stille ist mir sehr wichtig, Zeit für meinen Parasympathikus – denn es gibt keine Anstrengung, keine Leistung ohne Entspannung!“ Das weiß er heute.
Spiritualität, Meditation, Stille, Atmen, Körperwahrnehmung sind in den letzten Jahren für ihn wichtig geworden. Außerdem geht er heute regelmäßig zur Psychotherapie, für seine Seelenhygiene.
Was würde der Power-Mann anderen Männern heute raten?
„Eine Prioritätenliste machen und auch mal Sachen weglassen – brauch ich wirklich ein neues Auto, wo kann ich reduzieren, wo kann ich weniger müssen, was ist wirklich nötig?“ Viele seien überlastet, weil sie sich nicht helfen lassen – dabei gebe es überall Unterstützung, man müssen sich ein Netz aufbauen, im Gespräch bleiben mit anderen. Aber, wie der Unternehmer betont: „Der Leidensdruck muss offensichtlich schon stark genug sein, das ist notwendig zum Handeln. Wenn es nur ein bisschen weh tut, verändert man nichts“.
Und die Lieblingsaussage vieler: Keine Zeit! – das stimme einfach nicht, jeder könne sein Leben anders organisieren. „Es ist immer viel mehr drin als man glaubt! Aber das heißt auch mutig sein und viel öfter nein sagen.“
Sein Leitsatz & Lebens Motto ist: „Wir sind hier auf der Welt um glücklich zu sein, und nicht um zu leiden und unglücklich zu sein.“ Christian Hlade resümiert: „Es ist viel passiert, viel positives, ich hab eine bessere Qualität heute, mein Leben ist jetzt viel vielfältiger als vorher.“ Seit er aus seiner Auszeit zurück ist, engagiert er sich zusätzlich im buddhistischen Zentrum in Graz „She Drup Ling“, dort bringt er jetzt im Vorstand seine unternehmerische Erfahrung ein.
Diese Ehrlichkeit tut gut, sie kann vor allem für Betroffene ein Ansporn sein, Hilfe zu suchen und anzunehmen! Alle guten Wünsche für weiterhin!
Lieber Christian!
Danke für die offenen Worte und den interessanten Bogen der in der Geschichte gespannt wird. Von der Freude an der Leistung bis zur Überbelastung- ich denke hier ist der Grad manchmal gefährlich schmal.
Ich freue mich sehr, dass du wieder in die Nähe deiner Mitte gekommen bist und die Richtung der Reise wieder stimmt!
Wir sind gerade von deinem Reiseangebot „Zu den Normaden der Westmongolei“ zurückgekehrt.
Es war wunderbar und hat sehr, sehr gut getan.
Ganz besonders die Freude der Normaden bei Ihrer Arbeit und in ihrem Leben waren schon dazu angetan über unsere latente „Problemtrance“ nachzudenken.
Alles gute und ich freue mich darauf dich wieder mal bei einer WWW-Veranstaltung oder bei sonstiger Gelegenheit zu sehen!
Herzlichst Heinz
Lieber Christian. Habe diesen Blog erst heute zufällig (zufällig?) entdeckt. Ich brauche nur den Namen austauschen. Es ging mir genau vor einem Jahr ganz aehnlich. Meine Pilgerwanderung vor Kurzem durch Thüringen hat mir seht geholfen. Ich suche auch einen Psychotherapeuten. Hast du eine Empfehlung für mich? Alles Liebe und einen guten Weg wünscht dir Ingeborg
Ja, ich kenne mehrere gute Psychotherapeuten.
Z.B. Ilse Gschwend, Elisabeth Renner oder meine Frau Carmen Tatschl-Hlade.
Alles Gute!
Lieber Christian Hlade!
Auch ich hatte 2012 solch eine „Attacke“…ein Wunsch zur Weiterbildung endete
damit, dass ich 3 Wochen arbeitsunfähig war und therapeutische Hilfe benötigte,
auch eine Kur hängte ich an. Also ich verstehe Dich sehr gut und es ging mir 1:1 genau
so! (Obwohl auch mit Familie, Kindern, Haus, Arbeit, aber jedoch ohne „Druck von aussen“, sondern von mir selbst auferlegt – einfach, weil ich mich beruflich umorientieren wollte). Aber ich hatte festgestellt – ohne ein „Riesennetzwerk“ geht einfach gar nix und Kinder, Haus, Arbeit und Mann sind ja schon ein Riesenprojekt an sich ;-). Also bescheiden bleiben und reisen, reisen, reisen…habe ich für mich beschlossen. Alles Gute weiterhin und bitte immer auf den Körper hören!!!
Naja, eine schlechte Phase haben, den Lärm von drei Kindern nicht ertragen und sich schlapp fühlen, das dürfte nicht nur Dir passieren. Aber im Blog erlebt der „Power-Mann“ die „Krise“ und den „großen Crash“. Zum Glück hast Du die Lösung gefunden, zwei Monate ins Kloster nach Tibet zu gehen. Und jetzt gibt Buddha Dir die Kraft, weiter durchzuhalten. Dazu herzlichen Glückwunsch.
Solche Luxus-Probleme und -Lösungen würde sich so mancher wünschen. Aber auch für diese hat Frau Binder noch einen praxisnahen Vorschlag: bescheiden bleiben und reisen, reisen, reisen.
Eine eitle und selbstgefällige Welt, in der Ihr da lebt.
Lieber Daniel!
Reisen kann man auch mit sehr, sehr wenig Geld. Dieselben „Luxusprobleme“ hatte dann auch Jesus als er in die Wüste ging und haben immer wieder viele PilgerInnen.
Mein Leben als Reiseveranstalter habe ich mir selbst – mit 0 EUR Startkapital aufgebaut und habe da keinen „Sponsor“….
Wieso ist das nun selbstgefällig??
Ich verstehe die Rückmeldung echt gar nicht….
Aber trotzdem unbekannterweise alles Gute und hoffentlich mal Zeit ein wenig innezuhalten
lieben Gruß
Christian Hlade