Das Jahr 2017 hat die UN zum Jahr des „Nachhaltigen Tourismus für Entwicklung“ erklärt! Das ist zu 100% das Herzensthema von Weltweitwandern, denn wir investieren seit unserer Gründung viel Zeit und Energie in dieses Thema. Wir gehören zu den führenden Reiseunternehmen in diesem Bereich:

  • Allein durch die besondere Art unserere Reisen in Kooperation mit unseren örtlichen Partnern vor Ort möglichst verträglich und nachhaltig zu konzipieren.
  • Durch unsere beispielgebenden Empowerment-, Bildungs- und Austausch- Initiativen.
  • Durch unsere mittlerweite sehr großen weltweiten Bildungs- und Sozialprojekte unseres Vereines „Weltweitwandern Wirkt!

Allerdings haben wir hier unseren ganz eigenen – durchaus kritischen – Standpunkt zum Thema „Nachhaltigkeit im Tourismus“, hier unsere Position dazu:

Weltweitwandern hat viele Jahre lang sehr viel Zeit und Energie für CSR-Berichte, das Erstellen einer Gemeinwohlbilanz und die Nachhaltigkeitszertifizierung (CSR in Tourism) aufgewendet. Das alles waren sehr wertvolle Prozesse. Wir haben dabei sehr, sehr viel gelernt und wertvolle Kontakte knüpfen können. Wir würden diesen Prozess eines CSR-Berichtes oder einer CSR-Zertifizierung auch anderen Unternehmen SEHR ans Herz legen, weil man sehr viel dabei lernt.

Irgendwann  – das war vor zirka zwei Jahren – kam dann aber der Punkt an dem wir feststellten, dass dem sehr hohen und auch ständig steigenden bürokratischen Aufwand für die Erstellung der CSR-Berichte und CSR-Zertifizierungen für uns kein nennenswerter Erkentnissgewinn und auch keine Steigerung unserer Reisequalität oder der „Nachhaltigkeit“ unserer Reisen gegenüberstand.

Im Gegenteil: Die viele Arbeitszeit im Bereich Zertifizierung fehlte bei unserer kleinen Firma für andere sehr wichtige Arbeiten!

Zudem kamen wir beim Punkt „Umweltbelastung durch die Fluganreise“ einfach nicht weiter und mussten uns als „Nachhaltigkeitspionier“ sehr oft rechtfertigen und verteidigen mit untauglichen Argumenten. Die häufigen Diskussionen endeten für uns an diesem Punkt immer unbefriedigend! (Die Alternative scheint für einige Umwelt-Fundamentalisten nur darin zu bestehen keine Flug-Fernreisen mehr anzubieten und daher unsere Firma zu schließen…)

Wir beschlossen daher eine längere Pause beim „CSR-Berichtswesen“ einzulegen und auch den Punkt „Fluganreise“ mal einfach so „stehen zu lassen“ und uns hier auch nicht mehr weiter mit komischen – für uns selbst hohlen – Argumenten zu rechtfertigen.

Mit der freiwerdenden Zeit und Energie konzentrierten wir uns ganz intensiv auf die Arbeit an der besonderen und einzigartigen Qualität unserer Reisen: z.B. die Verbesserung der Reiseinformationen für die Gäste, Weiterbildungen unserer weltweiten Partner und Guides, Vernetzung unserer Partner untereinander durch gezielten Austausch.
Zudem intensivierten und professionalisierten wir mit der Gründung eines eigenen Vereines „Weltweitwandern Wirkt!“ unser vorhandenes soziales Engagement und verwirklichen damit nun 2016/17 riesige weltweite Bildungsprojekte im Volumen von über 1 Mio Euro! (Infos: www.weltweitwandernwirkt.org)
Das alles sind Bereiche in denen wir unserer Ansicht nach wirklich etwas konkretes „Weltverbesserndes“ tun können!

Die Diskussion in den oft sehr schütter besuchten „NachhaltigkeitsexpertInnen – Kreisen“ hingegen fanden wir ernüchternd, wenig weltbewegend, immer ähnlich und ohne Erkenntnisgewinn und Lösungen für uns.
Zudem wollen wir niemanden „täuschen“ oder „anlügen“ und durch ein „CSR-Gütesiegel“ von einer nicht vorhandenen Umweltfreundlichkeit unserer Fernreisen mit dem Flugzeug ablenken.

Was wir verändern können, z.B. Erhöhung der lokalen Wertschöpfung, Schaffen von lokalen Arbeitsplätzen, Aus-Bildung, gute & transparente Informationen, initiieren von sozialen Projekten, usw. das gehen wir mit viel Energie an und versuchen dort Maßstäbe zu setzen.
Was wir nicht verändern können, z.B. Die Umweltbelastung durch die Fluganreise, versuchen wir durch eine vernünftig lange Aufenthaltsdauer zu balancieren – wollen diesen Faktor aber nicht „wegdiskutieren“ oder verschleiern oder durch eine CSR-Zertifizierung davon ablenken.

Hier zusammengefaßt einige Gedanken von mir zum Thema:

1.     Gänzlich umweltfreundliche Fernreisen sind – wegen der damit verbundenen Fluganreisen – nicht möglich.

„Nachhaltigkeit“ wird sehr oft mit „ist gleich“ Umweltfreundlichkeit“ übersetzt, was dem Begriff weder zuträglich ist – noch richtig ist. Im englischen Begriff „CSR“ = Corporate Social Responsibility schwingt der soziale Aspekt viel stärker mit. Mit dieser sozialen Dimension von „Nachhaltigkeit “ fühle ich mich auch viel wohler, weil gerade in diesem Bereich für uns als Reiseveranstalter viel Handlungsperspektiven und Gestaltungsraum liegt!

2.     Reisen – wie auch unser gesamtes westliches Leben – beinhalten Widersprüche und Paradoxien.

Gerade auf/bei Reisen werden Widersprüche und Gegensätzlichkeiten sichtbarer und deutlicher. Darin liegen für mich auch einer der großen Gewinne des Reisens. Die ohnehin immer vorhandenen Gegensätze liegen offener da – tun oft richtig weh: Armut gleich neben Luxus, wunderschöne Natur neben Umweltzerstörung, positive nachhaltige Initiativen versus einem sinnlosem Kampf gegen die Windmühlen einer ungebremsten „Entwicklung“, etc.

3.     Die Widerspüchlichkeiten von (Fern-)Reisen und deren fehlende Umweltfreudlichkeit mittels CO2-Zertifikaten und/oder CSR-Gütesiegeln vollständig auflösen zu wollen muss immer scheitern, weil das nicht geht.

4. Tourismus kann jedoch wesentlich zum örtlichen Naturschutz, zur Lebendigkeit örtlichen Brauchtums und dem Entstehen von kollektivem Bewusstsein für den Erhalt wertvoller Naturlandschaften beitragen.
Es gibt da viele sehr positive Beispiele dazu.

5. Ein engagierter Tourismus vermittelt wertvolle Begegnungen unterschiedlicher Kulturen. Respekt und Toleranz werden geübt und ein voneinander und miteinander Lernen wird initiiert.

6. Lieber weniger, dafür aber gut vorbereitete Fernreisen zu machen!

Man soll nur wenige Fernreisen mit dem Flugzeug  – diese jedoch gut vorbereitet und mit einer jeweils längeren Aufenthaltsdauer – machen. Die CO2-Belasung durch den Flug kann man durch eine Zahlung für CO2-einsparende Projekte etwas kompensieren. (myclimate.org, atmosfair.de)

 

7. An touristischen „Hotspots“ = tollen, gut erreichbaren Stränden oder bei großen weltberühmten Sehenswürdigkeiten (z.B. Venedig) ist ein „Überrannt – werden“ und dessen hässliche Begleiterscheinungen oft gar nicht vermeidbar.

Überall dort ist aber zusätzlich auch politischer Wille oder politische Lethargie ausschlaggebend ob der Boom ungezügelt und zerstörerisch – oder halbwegs geplant und umweltschonend abläuft. Hier braucht es unbedingt Know-how, politische Gestaltung und verbindliche Gesetze!

8. Vor Ort wirken sehr oft viele, viele andere Faktoren, die viel stärkere Veränderungstreiber als der Tourismus sind:

Landflucht, Überbevölkerung, Straßenbau, Mobiltelefonie, Medien, Geld von heimkehrenden Gastarbeitern, usw.

9. Westliche Touristen waren über Jahrzehnte die einzigen Reisenden. Das hat sich in den vergangenen Jahren ganz entscheidend geändert!

Millionen von InderInnen, ChinesInnen, BrasilianerInnen, RussInnen, uvam. sind nun auch als Touristen unterwegs. Zum Teil mit ähnlichen – zum Teil aber mit ganz anderen Reisemotiven und Gewohnheiten, wie die „Westler“. Noch immer konzentrieren sich allerdings unsere „Tourismusbetrachtungen“ oft nur auf „uns“  TouristInnen aus dem Westen. Eine ausschließlich westliche CSR-Initiative, die nicht (auch) eine weltweite Perspektive einnimmt und diese Entwicklungen einbezieht  ist wenig wirksam!

10. CSR und Nachhaltigkeit im Tourismus kann und soll als Endziel KEIN freiwilliger Zusatz von nur einigen wenigen Reiseveranstaltern sein.

Es braucht verbindliche und weltweit gültige, verpflichtend anzuwendende Rahmenbedingungen und Gesetze. Engagiertes CSR bedeutet – wenn man ehrlich ist – Investitionen, das Erarbeiten von speziellem Know-How und einen hohen Arbeitsaufwand und verursacht dadurch auch beträchtliche (Mehr-)Kosten.
Ohne gesetzliche Verpflichtung haben diejenigen Unternehmen, die das wirklich ernst nehmen einen Wettbewerbsnachteil und sind dann letztlich die „Blöden“.
Wobei es hier – durch den globalen Wettbewerb  – extrem wichtig ist nicht nur die örtlichen/heimischen Reiseveranstalter zu diesen CSR-Rahmenbedingungen zu verpflichten! Buchungen passieren im Zeitalter von Trip Advisor und AirBNB global!
Nur allein die heimischen Veranstalter gesetzlich zur Nachhaltigkeit zu zwingen (weil nur das halt national möglich scheint) würde den Wettbewerb verzerren und diesen Betrieben dann Nachteile einbringen.

11. Nachwort und Einladung zur weiteren Diskussion:

Ich denke 2017 werden wir noch viel über dieses Thema diskutieren und nachdenken.
Ich freue mich auf Deine spannende Rückmeldung und über Diskussionen hier in meinem Blog – oder bei einer öffentlichen Diskussionsrunde.
Ich bin natürlich nicht „festgefahren“ in meinen Ansichten, sondern teile hier lediglich unseren „Status Quo“ nach 16 Jahren als engagierter Reiseveranstalter im Bereich „Nachhaltigkeit im Tourismus“.

PS: Wunderschönes, neues Jahr 2017 – Gesundheit und Freude!

wünscht Dir /Euch Christian Hlade

PPS: Reisen sind etwas wunderbares und wertvolles, das dürfen wir bei all diesen akademischen Diskussionen nicht vergessen. Aber natürlich müssen wir auf unseren wundervollen Planeten gut achtgeben und ihn bewahren…


 

Comments ( 10 )

  • Gertrude Weingerl

    Lieber Christian,
    Sehr korrekt geschildert. Die Bürokratie! Nicht nur bei dir. Evaluierungen brauchen mehr Zeit als Behandlungen. Fachärzte müssen sich mit Punkten in Computerprogrammen herumschlagen, weil der Programmierer falsch oder gar nicht informiert wurde.
    Und vor Ort? Was passiert zukünftig in Kerala wo Frauen durch ihre Tätigkeit als Ayurveda-Therapeuten mehr verdienen als ihre Männer? Nicht üblich in Indien.
    Das Leben ist nicht perfekt und nur der Wandel ist ewig. Dass dieser Wandel einer zum positiven ist, daran ist jeder von uns mit beteiligt.
    Ein schönes Neues Jahr. Und bleibt alle gesund.
    Gertrude

  • Christian Baumgartner

    Lieber Christian,

    danke für diesen wichtigen Beitrag – auch als Startpunkt einer hoffentlich spannenden Diskussion.

    Ich teile alle Deine Schlussfolgerungen, nicht aber die Analyse die dahinführt. Du unterliegst – nicht als einziger – dem Vermengen der Themen Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit.

    Niemand sagt, dass Flüge umweltfreundlich sind. Auch suggeriert ein CSR- oder Nachhaltigkeitslabel nicht, dass das Produkt 100% umweltfreundlich ist, sondern es sagt, dass die Balance zwischen Umwelt, lokalen Einkommen in den Destinationen und Kultur erkannt wurde und möglichst viel gemacht wird, um die positiven Auswirkungen zu stärken und die negativen zu minimieren.

    Ein Tourismus, der nicht stattfindet ist auch nicht nachhaltig, da den Menschen vor Ort das Einkommen und die damit verbundene Entwicklung abgeht. Und selbst wenn man – ohne hin zu fahren – Geld überweist, fehlt der kulturelle Austausch zwischen Einheimischen und Gästen. All das ist es aber nur gemeinsam, was Nachhaltigkeit ausmacht. und CSR ist ja nur das Instrumentarium, um Nachhaltigkeit im Wirtschaftsbetrieb umzusetzen. Dir ist das ja ohnedies klar, das zeigen die WWW Produkte.

    Du schreibst selbst, dass der CSR-Prozess (inkl. Bericht und Zertifizierung) Dir sehr viele Anregungen zur Verbesserung gebracht hat. So soll es sein, du bist von einem hohen Level aus gestartet und selbst WWW konnte sich noch weiterentwickeln. Ich denke für deine Firma ist es richtig, sich nun jenseits der CSR Zertifizierung zu orientieren.

    Allerdings bist du (leider) auch nicht Standard; viele, viele Veranstalter, Reisebüros, Tourismusanbieter jeglicher Art benötigen erst den – durchaus zeit- und energiefordernden – Prozess einer Zertifizierung, um wichtige Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu machen.

    Tourismus kann viel Positives bewirken – wenn er ‚richtig‘ umgesetzt wird, kann er auch mildernd auf die von dir geschilderten anderen Phänomene einwirken. Aber er kann auch nicht die Welt retten.

    Also nochmals:
    Ja, zu deinen Schlussfolgerungen: CSR muss – nicht nur im Tourismus – verpflichtend werden, dazu braucht es entsprechende Regelungen sowohl in den Destinationen wie in den Ländern der Quellmärkte. Genauso muss wie die CO2-Kompensation der (im Tourismus unvermeidlichen) Flüge in den Reisepreis fix integriert werden. Das ist die einzige Möglichkeit den Flug zwar nicht umweltfreundlich zu machen, die negativen Auswirkungen aber eben mit emmissions-einsparenden Projekten auszugleichen.

    PS: Die CSR- und Nachhaltigkeitsdiskussion ist sehr wohl eine die weltweit geführt wird, allerdings sind die etablierten Tourismusmärkte Europa und Amerika dabei führend. In den anderen Regionen sind es im Moment fast ausschließlich die NGOs, die dort heute die Rolle haben, die wir in den 80er Jahren hier hatten. Es wird noch eine Weile brauchen, bis auch chinesische, brasilianische und russische Veranstalter wie Konsumenten umwelt- und nachhaltigkeitsbewusster werden. Aber das wäre eine ganz andere Diskussion,

    • Christian Hlade

      Danke Christian für den Input.
      Ich habe durch deine Gedanken meinen Text nun ein wenig „nachgeschärft“ und hab über die bestehende Begriffsverwirrung Nachhaltig = nur Umweltfreundlich etwas ausführlicher hingewiesen.
      Denn gerade dieser „Rechtfertigungsdruck“ mit für uns nicht vorhandenen oder hohlen Argumenten hat bei uns das Gefühl ausgelöst hier „auf der Stelle zu trefen“ und auch nicht weiterzukommen…

  • Gerald

    Die Situation im Tourismus ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.
    Auf der einen Seite sind wir so gut informiert über gesellschaftlichen Wandel, über Gesundheit und Umwelt wie nie zuvor. Wir wissen ganz genau welche Probleme uns in der nahen Zukunft zB durch den Klimawandel, durch die neuen Wanderungsbewegungen, durch zu Ende gehende Rohstoffe erwarten werden. Auf der anderen Seite wird weder in Politik, noch Wirtschaft an einer Transformation zu neuen Wegen gesucht, gearbeitet und gestaltet. Es herrscht das Prinzip des Reagierens auf Katastrophen, wir nehmen unseren eigenen Weg nicht mehr in die Hand.
    Politiker denken in 4 jährigem Wahlperioden, Manager in Quartalsberichten.
    Aber nicht diese sind daran Schuld, es sind wir, die Gesellschaft, die das nicht mehr von Ihnen verlangt.
    Ein interessantes Buch dazu:
    Bernd Sommer
    Harald Welzer
    Tranformationsdesign – Wege in eine zukunftsfähige Moderne
    Oekom Verlag
    ISBN 978-3-86581-662-7
    Gibts bei Amazon, aber gleich schnell und sozial,lokal bei ihrem Buchhändler zum gleichen Preis.

    Wir ir sind Christians Partner auf Madeira und errichten gerade nach 15 Jahren Wanderagentur unseren Lebenstraum – ein eigenes kleines Landgut für max 16 Gäste.

    Wir haben uns von jeder Zertifizierung durch Organisationen ausgeklinkt. Wir publizieren offen unsere Maßnahmen und Ideen. Der mündige Konsument soll selbst werten.

    Aber wir sehen auch in den internen Kalkulationen und den familieninternen Diskussionen, wie sehr der Teufel im Detail liegt.
    Ein kleines Beispiel Handtücher und Bettwäsche.
    Wie oft soll dieses im Urlaub gewechselt werden, sollen wir akzeptieren, wenn ein Gast seine Handtücher täglich auf den Boden zum Wechseln signalisiert (kosten und Umwelt)
    Sollen wir die selbst von einer lokalen Angestellten waschen lassen oder wie die Hotels von externen Wäschereien. Lokale Wäscherin schafft lokale Arbeit und Wertschöpfung.
    Kosten für uns etwa dreimal so hoch, Umweltbelastung etwa doppelt so hoch.
    Jetzt geht die Diskussion los. Lokale Arbeit bedeutet aber auch das die Angestellte nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren muss, ihre Kinder und Familie selbst betreuen kann,….

    Diese Diskussionen gibt es vom Putzmittel, über das selbst angebaute Gemüse bis hin zum Flughafentransfer.
    Das alles für eine gültige umfassende Ökobilanz zusammenzuarbeiten rechnen kalkulieren ist uns nicht möglich. Also gesunder unzertifizierbarer Menschenverstand.

    Aber jetzt kommen wir die Zwickmühle mit dem Preis. Wollen wir so arbeiten wie wir es für gut halten und unsere MitarbeiterInnen fair bezahlen liegen wir bei dem doppelten Zimmerpreis der Hotels, wo der Mitbewerber wohnt. Wir sind Optimisten.

    Was kann der Gast tun, ganz einfach: small is beautiful,… vom Veranstalter bis zur Unterkunft. …. und dann lesen, was die einzelnen Bausteine eurer Reise dazu sagen.
    Glaubt nicht den konzerneigene Umweltsiegeln der großen Veranstalter.
    Seid kritisch und optimistisch.
    Wir werden demnächst einen Blog unseres Baues veröffentlichen, Christian wird darüber vielleicht berichten
    Gutes neues Jahr Gerald

  • Christina

    Lieber Christian
    ein toller Impuls zum Jahresbeginn, der nachdenklich macht und weitere Diskussionen ermöglicht. Vielen Dank! Ich selbst arbeite noch nicht so lange bei einem nachhaltig ausgerichteten Veranstalter und habe sicher noch nicht so viel wertvolle Erfahrung gesammelt wie Du. Meine bisherigen Erfahrung und auch mein Gefühl sagt mir, dass gerade eine Zertifizierung und der daraus sich entwickelnde Prozess im Unternehmen sehr viel aufzeigen kann und man so den Status Quo im Bereich Nachhaltigkeit immer abfragen und dann entsprechend verbessern kann. Gerade in diesem Prozess kann vieles sichtbar werden und im Zuge des Verbesserungsprogramms, wenn man dies strategisch betrachtet und umsetzt, sehr viel passieren. Auch die genannten Maßnahmen, die von WWW durchgeführt und angestoßen wurden, können sich im Zuge dieses Prozesses heraus kristalisieren und umgesetzt werden. So hat man im Grunde immer einen roten Faden, der ein Stück weit den Weg weist und Schwachstellen aufzeigt. Das halte ich für sehr sehr wertvoll. Man sollte nicht das Ziel anstreben, nur einen schicken und vollständigen Nachhaltigkeitsbericht zu schreiben und zu veröffentlichen. Es geht um viel mehr, nämlich um die Erkenntnis, sein eigenes Tun und Handeln zu hinterfragen und das Dranbleiben.
    Das wir mit unseren Fernreisen leider nie eine 100% Nachhaltigkeit erreichen können, ist denke ich jedem Fernreiseanbieter bekannt. Wer wirklich nachhaltig reisen möchte, müsste daheim bleiben. Dennoch sollten wir nie- auch wenn ich denke, dass hier auch politisch etwas geändert werden müsste- es unversucht lassen den Kunden darüber aufzuklären und ihm Möglichkeiten der Kompensation aufzuzeigen. Es ist eine Möglichkeit, auch wenn nicht die optimalste, um hier Schaden in gewisser Weise zu verringern/ auszugleichen. Aktuell haben wir leider keine bessere Option. Es ist für mich kein Widerspruch, wenn ich mir dessen bewusst bin, was mein Langstreckenflug verursacht. Im Zuge meiner Masterarbeit habe ich mich zudem mit nachhaltigkeitssensiblen Kunden diverser Veranstalter (nur eine kleine Anzahl) unterhalten und das zeigte mir, das sich diese Kunden gerade auch dem Flugproblem bewusst sind und hier sich nicht täuschen lassen. Gerade bei Fernreisen punkten wir hingegen mit sozialen Aspekten wie z.B. Projektbesuchen, Kontakt zur lokalen Bevölkerung etc. In den Interviews wurde dies als positiv für nachhaltig ausgerichtete Veranstalter wahrgenommen. Es war spannend mit den Kunden das Thema mal ganz anders zu diskutieren als im Verkaufsgespräch. Auch das Nachhaltigkeitssiegel gab einzelnen Kunden Vertrauen und Sicherheit und sie haben vor Ort diese wesentlichen Kriterien auch immer wieder wahrgenommen.
    Dein Engagement mit deinem Verein ist unbeschreiblich, dies finde ich ganz toll. Es geht über das Kerngeschäft hinaus, das ist mehr als viele machen und der Verein bewirkt wirklich sehr viel. Zeitgleich kann man versuchen diese Menschen auch in das Kerngeschäft miteinzubinden, z.B. im Rahmen einer Ausbildung im Tourismus oder der Unterstützung bei dem Weg in die Selbstständigkeit im Tourismus.
    Zudem fühle ich mich sehr wohl im Kreise der Nachhaltigkeitsexperten, da hier eine unglaubliche Motivation, Erfahrung, Spirit und neue Ideen von aus gehen. Für mich ist dieser Austausch immer sehr wertvoll, vielleicht auch, weil ich noch nicht so viel Erfahrung habe, wie Du und WWW. Ich freue mich zudem sehr auf dieses Jahr, da ich denke, das gerade unter diesem Motto doch weitere Themen und neue Projekte in der Branche initiiert werden! Liebe Grüße Christina

    • Christian Hlade

      Liebe Christina!
      Danke für deine Rückmeldung und Gedanken…
      Mit eurer Firma arbeiten wir ja nun schon seit einer halben Ewigkeit sehr gut zusammen – ihr macht supoertolle Reisen!
      Was ich nun mitnehme ist, daß wir uns heuer doch wieder ein wenig mehr auf das Thema „Diskussion“ und „Vernetzung“ mit anderen Veranstaltern einlassen und da zusammen weietr nach guten, praktikablen Lösungen suchen…
      Liebe Grüße aus dem heute tiefverschneiten Graz (Schnee scheint immer kostbarer in den jetzigen Zeiten…)
      Christian

  • Harald A. Friedl

    Lieber Christian,

    ich darf Deiner Einladung folgen und zu Deinem Kurz-Essay zu Entwicklung durch nachhaltigen Tourismus aus meiner Sicht als Tourismusethiker Stellung beziehen.
    Du hast sehr treffend eine Erfahrung geschrieben, die allen Menschen widerfährt, wenn sie im Kontext einer extrem konsumistischen Gesellschaft versuchen sich konsequent an Nachhaltigkeit zu orientieren:

    „….kamen wir beim Punkt „Umweltbelastung durch die Fluganreise“ einfach nicht weiter und mussten uns als „Nachhaltigkeitspionier“ sehr oft rechtfertigen und verteidigen mit untauglichen Argumenten. Die häufigen Diskussionen endeten für uns an diesem Punkt immer unbefriedigend! (Die Alternative scheint für einige Umwelt-Fundamentalisten nur darin zu bestehen keine Flug-Fernreisen mehr anzubieten und daher unsere Firma zu schließen…)“ (C. Hlade)

    Würden alle Tourismusfirmen so arbeiten wie WWW, ja würden alle Menschen so wie WWW agieren, dann hätten wir mit Sicherheit in vielerlei Hinsicht beträchtlich weniger Probleme. Tourismus würde eine sehr viel höhere Wertschöpfung unter jenen Menschen erzielen, wo dieser Tourismus stattfindet; es käme zu einer spürbaren Umverteilung von Vermögen von den reichen zu den armen Ländern, wie es in der Agenda21 und in den Milleniumszielen der UNO stets gefordert wurde. Dafür ist Flugtransport eine derzeit unverzichtbare Bedingung.

    Insofern lade ich radikale Kritiker zunächst ein, als gutes Vorbild zu agieren und selbst praktisch und konkret zu zeigen, wie ein sozialverträgliches Leben ohne Erdöl und Plastik, ohne Industrieproduktion etc. möglich sei. Gelänge ihnen dies auf sozial verträgliche Weise, würde ich mich sofort vor ihnen dankbar verbeugen und ihnen gerne folgen. Bisher qualifizierten sich jedoch radikale Kritiker zumeist nur als radikal in ihrer theoretischen Kritik, nicht in ihren praktikablen Lebens- und Wirtschaftsalternativen, die auch sozialverträglich und somit als wirkungsvoller Beitrag zu mehr Umverteilung und Frieden erkennbar wären.

    Der Journalist Leo Hickman hatte einen solchen Versuch vor 10 Jahren unternommen und in seinem Buch „Fast Nackt: Mein abenteuerlicher Versuch ethisch korrekt zu leben“ beschrieben. Es ist die Beschreibung der Erkenntnis, wie tief wir in dieses System eingebunden sind. Darum liefert er auch die Beschreibung eines Scheiterns – jedoch auf sehr hohem Niveau einer Balance von Ressourcenschonung und einem gütlichem Miteinander.

    Was hingegen darüber hinaus ginge, wer versucht, sich der Utopie einer totalen Nachhaltigkeit radikal und konsequent anzunähern, muss die paradoxe Idee von Nachhaltigkeit pervertieren, wie dies bereits bei der radikalen Umsetzung von totaler sozialer Gerechtigkeit geschah, was in den mörderischen Stalinismus und Maoismus mündete, also noch größere Verbrechen, Ungerechtigkeiten, Ausbeutungen etc. verursachte.

    Nachhaltigkeit kann somit nur als Leitbild für einen Balance-Prozess verstanden werden, als „Wert-volle“ Orientierung für jegliches Handeln, niemals aber als totalitäres Diktat. Wie Lessing schon in „Nathan, dem Weisen“ schrieb: An den Taten sollt ihr sie messen…

    Aus dieser Perspektive kann ich nur sagen: Bitte, Christian, mach weiter so!

    In diesem Sinne wäre es vielleicht sinnvoller von „Tourismusentwicklung zu mehr Nachhaltigkeit“ zu sprechen, als von „nachhaltigem Tourismus“ (was eben eine Utopie darstellt): Tourismus als Beitrag zu einer besseren Welt unter Minimierung von Schäden. Betrachtet man Tourismusaktivitäten mit dieser Brille, so kann man die einfache Frage stellen:

    Ginge es der Welt besser ohne die Aktivitäten von Weltweitwandern?

    Man stelle sich vor, all jene Menschen, die für WWW arbeiten und davon ihre Familien ernähren, würden diese Möglichkeit verlieren und müssten von Tourismus leben, der auf eine weit weniger umwelt- und sozialverträgliche Weise praktiziert wird. Oder sie wären überhaupt arbeitslos, weil etwa wegen eines Flugverbots der Tourismus zusammenbräche, Unruhen ausbrächen, die bislang bereiste und kooperierende Gesellschaft an Stabilität verlöre – wie ich es selbst erst im Niger, dann in Libyen und schließlich in Algerien erleben musste…

    Der Schaden für diese Menschen wäre nach meiner Überzeugung beträchtlich. Und dies könnte man wahrscheinlich sogar nachrechnen. Darum ist das Wirken von Weltweitwandern so wichtig.

    Worum geht es letztlich im Leben, in jenem Miteinander im Kreise von ähnlich geprägten Menschen, also innerhalb einer Kultur?

    Wohl darum, die Dinge so ressourcensparend, umweltschonend und sozial verträglich zu gestalten als möglich. Es ist ein ständiger Lernprozess, weil sich auch die Rahmenbedingungen ständig verändern. Idealerweise ist es ein Innovationsprozess zum Besseren, gemessen an Werten wie Gerechtigkeit, Freiheit, Gesundheit und Lebensqualität, nicht aber eine Rückkehr in die Steinzeit. Das käme ohne Innovation und Lernen auch von selbst…

    Dieser Lernprozess gilt besonders für Tourismus: Er ist Ausdruck unserer Konsumkultur und als solcher auch ein Kulturerbe des Kolonialismus. Aus dem historischen Rahmen können wir nicht aussteigen, aber wir können es besser machen, indem wir niemals aufhören, unsere Aktivitäten als Touristiker, unsere Einflüsse, unsere Auswirkungen kritisch zu hinterfragen, zu evaluieren und weiterzuentwickeln, anstatt uns selbstgerecht zurückzulehnen und unsere Wohltaten nur noch zu feiern. Es hört nie auf.

    Das ist jene Seite von Nachhaltigkeit, bei der es darum geht Verantwortung zu übernehmen.

    Wer will das heute schon? Verantwortung ist ungeil. Darum sind auch „die Diskussion in den „NachhaltigkeitsexpertInnen – Kreisen“ (C. Hlade)… schütter besucht: Weil es lustiger ist Erlebnisse zu konsumieren, als über deren Auswirkungen selbstkritisch nachzudenken. Allerdings – hier gebe ich Christian auch recht – neigen manche NachhaltigkeitexpertInnen selbst zu wenig Sozialverträglichkeit, indem sie zuweilen einen Hang zur Radikalität (was wenigstens amüsant sein kann) und Verbissenheit (wenig charmant!) aufweisen, insofern oft langweilig wirken (naja, der Job ist zuweilen schon frustrieren…)

    Das Problem an manchen Nachhaltigkeitsexperten ist, …
    dass sie nicht aus dem Hospitality Bereich, also aus dem Tourismus, kommen und somit Probleme eher aus der abstrakten Managementperspektive und weniger aus der soziokulturellen Perspektive betrachten. Dieser Zugang hat in vielerlei Hinsicht seine Berechtigung und wichtige Bedeutung, leidet aber auch an vielen blinden Flecken.
    Als Kulturphilosoph, Ethiker und langjähriger Reiseleiter habe ich hier naturgemäß einen etwas anderen Zugang, der stärker verstehend und ausgleichend als bestimmend ist. Denn wer weiß schon, was „richtig“ sei…

    Dafür musste ich jedoch von akademischen Ethikern schon oft gescholten. Denn die klassische, akademische Ethik neigte dazu radikaler zu argumentieren und Forderungen abzuleiten, wobei sie dabei oft die komplexen Rahmenbedingungen des Problemfeldes, wie des Tourismus, zu wenig beachtete. Dabei meinte bereits der große schottische Aufklärer und Ethiker David Hume (1711-1776), dass eine Norm, die Unmögliches verlange, sich also nicht am „Können“ von Menschen in einem Kontext orientiert, eine schlechte Norm sei. Radikale Forderungen halte ich darum grundsätzlich für wenig konstruktiv.

    Wer somit den Flugverkehr im Tourismus verbieten möchte, um Tourismus „nachhaltig“ zu gestalten, ohne hilfreiche Lösungen für den Transport anzubieten, hat zwar angesichts des Klimawandels grundsätzlich Recht, produziert aber nur Schuldgefühle und sonst nix. Wenig produktiv!

    Du meintes: „Gänzlich umweltfreundliche Fernreisen sind – wegen der damit verbundenen Fluganreisen – nicht möglich.“ Er kritisierte auch zurecht die häufige Gleichsetzung von „Nachhaltigkeit“ mit Umweltfreundlichkeit“, während die soziale Nachhaltigkeit – und ihre ökologischen Auswirkungen – gerne ignoriert werden.

    Wie so oft im Leben ist beides, Umweltverträglichkeit UND Sozialverträglichkeit, als unverzichtbare Dimension von Nachhaltigkeit richtig und wichtig, aber eben in Balance. Radikaler Naturschutz etwa führte in der Vergangenheit in Afrika dazu, dass zugunsten der – damals noch kolonialistisch motivierten – Errichtung von Schutzgebieten (zum Schutz von Jagdrechten von Weißen) Einheimische vertrieben wurden. Dies wiederum führte dazu, dass die Einheimischen aufgrund des Verlustes ihrer Lebensgrundlage zum Mittel der Wilderei griffen, also gleichsam durch vermeintlich „nachhaltige“ Maßnahmen zu kriminellem Verhalten gedrängt wurden.
    Aus diesen unerwünschten, systemischen Rückkoppelungseffekten hat das moderne Umweltmanagement gelernt. Integration und Partizipation gelten längst als unverzichtbare Maßnahmen für den erfolgreichen Schutz von Natur: ohne Verbesserung der Lebensbedingungen der Betroffenen kein nachhaltiger Umweltschutz.

    Doch auch umgekehrt gilt: Wenn wir auch das derzeitige Ausmaß der klimaschädigenden Emissionen nicht in den Griff bekommen, wenn wir nicht die fortschreitende Erosion von fruchtbaren Ackerböden, die Zerstörung der Wälder, die Vergiftung der Meere durch Plastik – und vieles mehr stoppen bekommen, wird der Tourismus seine Existenzgrundlage verlieren – und dadurch auch die Menschen, die bislang davon profitierten.

    Was also ist die Lösung?

    Du schlugst einen vermeintlich philosophischen Gedankenweg vor, als Du meintest: „Reisen – wie auch unser gesamtes westliches Leben – beinhalten Widersprüche und Paradoxien.“

    Hier muss ich Dir grundlegend widersprechen, denn diese Aussage erachte ich als eine grundlegende Vermischung der Problemebenen (auch wenn ich davon überzeugt bin, dass Du Dir dessen nicht bewusst warst. Darum ludst Du ja auch Deine Leser zu ehrlicher kritischer Antwort ein.)

    Vielleicht meintest Du Dilemmata, also Situationen, in denen man wie Odysseus zwischen Skylla und Charybdis wählen muss, oder zwischen Pest und Cholera – zwischen zwei Übeln. Wer in der Welt lebt und handelt, ist damit eingebunden in die Komplexität eines dichten, sozialen Netzwerks, das notwendigerweise von unterschiedlichen Interessen, Prioritäten und Prinzipien, aber auch Wahrheiten geprägt ist. Das gilt noch viel mehr für das Geschäft mit der Überschreitung von vertrauten Räumen, um geführt ins Fremde einzutauchen: Tourismus. Doch liegt darin nichts Paradoxes. Vielmehr entspricht dem Wesen jeglicher Grenzüberschreitung der Effekt der Perspektivenveränderung, was die eigene Neubetrachtung und somit Infragestellung ermöglicht, aber auch nahelegte.

    Wer reist, erfährt Komplexität, die – UND HIER BIN ICH BEI DIR – zunächst als Widersprüchlichkeit erfahren wird. Diese scheinbare, subjektive Widersprüchlichkeit aufzulösen, indem man auf der Grundlage der neuen Erfahrungen und Kenntnisse sein Weltbild neu und schlüssig gestaltet, sein „Kohärenzgefühl“ (Antonovsky) wiedergewinnt, ist Ausdruck des Besten, was das Reisen überhaupt bieten kann:

    Reisen ermöglicht Bildung im Sinne eines Prozesses der Differenzierung von Sichtweisen über sich selbst und die Welt und ihre Menschen, ihre Bedürfnisse; Reisen ermöglicht mich wie auch die Anderen ein Stück besser zu verstehen und damit, in weiterer Folge, vor diesem Hintergrund auch das eigene Handeln neu betrachten und bewerten zu können.

    Doch genau dieser Lernprozess führt zu Erkenntnissen, die meine bisherigen Selbstverständlichkeiten erschüttern können. Wenn ich etwa Regionen wie den Sahel bereise und dort einerseits erkennen kann, wie durch mein verantwortungsvolles touristisches Handeln viel Gutes bewirkt wird, andererseits aber auch die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels wie grassierende Erosion durch zunehmende Klimaextreme wahrnehmen muss, der durch meine Flüge mitverursacht wird, dann stehe ich vor einem Dilemma. Denn hinter diesem Punkt, nach dieser Erfahrung, nach dieser Erkenntnis, einfach zu sagen, ich wüste keine Lösung und denke darum nicht darüber nach…

    …ist keine Paradoxie, sondern schlichte Verdrängung der Verantwortung für die Auswirkungen meines Handelns.
    Denn aus heutiger, allgemein anerkannter Sicht droht der Klimawandel sich durch unsere immer noch zunehmenden Emissionen (besonders auch jene des Flugverkehrs) in eine Richtung zu bewegen, der das gesamte Ökosystem zum Kippen bringen könnte – und erst dadurch mein derzeitiges, ursächliches Handeln (Flugreisen) letztlich verunmöglichen wurde. Das klingt nicht unbedingt „nachhaltig“…

    Ich darf nochmals mein zentrales ethisches Argument hervorheben:

    Wenn ich mir über die langfristigen schädlichen Folgen meines Handelns (wie im Fall von Flugreisen) bewusst werde, und ich auf dieses Problem einfach nur mit Schulterzucken antworte, so wäre mir das zu wenig.

    Es erschiene mir als Ausdruck von resignativer Verdrängung und somit von Verantwortungslosigkeit. Der Hinweis auf die – ohne jeden Zweifel wichtigen und wertvollen – Leistungen eines Reiseveranstalters ist verständlich und legitim, aber ändert nichts am grundsätzlichen Problem:

    Was nützt langfristig der sozialverträglichste Besuch einer Fair-Trade-Biofarm für Kokospalmen auf einer Koralleninsel, wenn diese durch den steigenden Meeresspiegel versinken wird?

    Dir hingegen Recht zu geben ist darin, dass es bislang für dieses Problem keine „nachhaltigen“ Lösungen gibt. Es gibt wichtige Ansätze – wie die Verhältnismäßigkeit von Flugdistanz (Emissionsumfang) und der Dauer des Aufenthalts vor Ort, gekoppelt an die positiven Effekte des Tourismus für Land und Leute; es gibt Kompensationszahlungen, wodurch an Orten Projekte finanziert werden, die auf einfachem Wege Emissionen einsparen. Derartigen Lösungen sind zwar nur …. „Kompensationen“, aber besser als das Problem komplett zu ignorieren. Es ist ein erster Schritt.

    Auch die Entwicklung von Weltweitwandern zu einem europäischen Pionier des sozialverträglichen Tourismus begann mit einem ersten Schritt, WEIL Du nie aufgehört hattes Dein Unternehmen zu verbessern, selbst zu lernen, immer wieder von neuem Deiner Verantwortung – im Lichte neuer Erkenntnisse – gerecht zu werden.

    Das ist ein Prozess, der erst an der Bahre endet. Und dies gilt eben auch für den Klimaschutz.

    Recht gebe ich Dir auch darin, dass das Leben, die Wirtschaft, die Welt an sich extrem vielschichtig ist (und dabei widersprüchlich erscheint). Angesichts dieser Wahrnehmung fühlen wir uns zuweilen verloren, hoffnungslos. Wir wollen und können nicht, werden behindert, werden kritisiert, obwohl wir das Beste zu geben bemüht sind, und immer noch reicht es nicht. Am lautesten kritisieren gerne jene, die mögliche sinnvolle Lösungen sogar blockieren, weil sie doch alles viel besser wissen.
    Damit müssen verantwortungsbewusste UnternehmerInnen klarkommen. Davon weiß ich Lieder zu singen. ABER das ist nur ein Scheinproblem, nämlich um den möglichen Verlust von Anerkennung.

    Bei verantwortungsvollem Handeln geht es aber GERADE NICHT DARUM möglichst zu tun, was andere für super gut halten, sondern darum zu tun, was man nach bestem Wissen und Gewissen für richtig hält.

    An dieser Stelle begehst Du einen weiteren folgenschweren Denkfehler, wenn Du argumentierst:

    „Die Widersprüchlichkeiten von (Fern-)Reisen und deren fehlende Umweltfreudlichkeit mittels CO2-Zertifikaten und/oder CSR-Gütesiegeln vollständig auflösen zu wollen muss immer scheitern, weil das nicht geht.“ (C. Hlade)

    Du gehst hier abermals der Verlockung der Radikalität auf den Leim. Denn im Balance-Konzept der Nachhaltigkeit ist gar kein Platz für etwas wie „Vollständigkeit“. Wie soll das gehen, wenn man niemals die Welt vollständig kennen und verstehen kann? Wie gesagt: Jeder bisherige Versuch der „vollständigen“ Umsetzung einer Idee führte in der Geschichte zu Totalitarismus, Gewalt und Zerstörung.

    Das gilt auch für Nachhaltigkeit, deren einseitige Interpretation und – in weiterer Folge – radikale Durchsetzung faschistoide Züge annehmen kann. Eine radikale Regionalität etwa bedeutet die Ablehnung jeglichen äußeren Einflusses. Dies würde aber mittelfristig wegen der enormen Kosten von Entwicklungen (wegen des Verlustes des Ideenaustausches) und Produktionen (wegen des Verlustes von Handelsvorteilen) bald zum Kollaps des Systems führen, denn radikale Regionalität bedeutet den Verzicht auf jegliche Synergieeffekte.

    Noch einmal:
    Wenn von Nachhaltigkeit die Rede ist, MUSS immer an dauerhafte, „enkerltaugliche“ Entwicklung gedacht werden:

    So leben, dass auch die Kinder meiner Kinder gut leben können.

    Es geht um Lern- und Veränderungsprozesse, nicht um das Erreichen von Zielzuständen.

    Nachhaltige Entwicklung bedeutet damit notwendig die ständige Suche nach neuen, besseren Lösungen.

    Für das Problem der Klimaschädlichkeit des Ferntourismus folgt daraus folgendes:
    Auch ich verzweifle zuweilen am längst spürbaren Klimawandel und an den von mir wahrgenommenen Widersprüchen des Systems, das mich zu zahlreichen Kompromissen zwingt. Und oft will ich es ganz einfach sein lassen und die Decke über den Kopf ziehen. Dann aber denke ich an die Grundprinzipien von nachhaltiger Entwicklung zurück, nämlich u.a. Generationengerechtigkeit und Klimagerechtigkeit. Und daran muss sich jeder orientieren (nicht mehr und nicht weniger), der in Anspruch nimmt, nachhaltigkeitsorientiert zu handeln.

    Darum glaube ich, dass Du als eine Leitfigur des nachhaltigkeitsorientierten Ferntourismus – gerade in dieser Rolle – auf Deinem Lernweg an den hohen Ansprüchen einer enkerltauglichen Lebens- und Wirtschaftsweise zuweilen verzweifeltest, scheitertest, sogar in schwere Krisen stürztest. Das hast Du in Deiner Biografie „Wandern wirkt“ eindrücklich beschrieben, und Dir ging es dabei – fast zeitgleich – sehr ähnlich wie mir in meiner Rolle als Forscher und Lehrender für Tourismusethik. ABER…

    … zu scheitern bedeutet eben nicht, dass man am völlig falschen Weg war, sondern nur, dass die derzeitige Lösungsweise nicht weiterbringt. Das einzige, was daraus folgt, ist das Verbot aufzugeben! Derzeit auf „keinen grünen Zweig“ beim Problem Ferntourismus und Klimawandel bedeutet lediglich, hier und jetzt noch keine Lösung gefunden zu haben.

    Also muss man wieder aufstehen, weitersuchen, weiterlernen, weiterforschen.

    Das Drama erfolgreicher Menschen: Wenn sie sich verbessern wollen, müssen sie dies auf hohem Niveau tun, und das ist verdammt anstrengend. Wer schon auf 6.000 Meter am Weg zum 8.000er ist, geht viel beschwerlicher als jemand, der noch auf 2.000 Meter herumkrebst.

    Für einen Pionier des zukunftsfähigen Tourismus wie Dich bedeutet dies aus meiner Sicht, dass Du Dich nicht auf Deinen Lorbeeren ausruhen dürftest. Vielmehr ginge es – entsprechend den Prinzipien der Bildung für nachhaltige Entwicklung – um lebenslanges Lernen, die lebenslange Suche nach besseren Lösungen. Auch für das Problem der Flugemissionen.

    Ich halte es für unverzichtbar zumindest dranzubleiben, das Problem im Auge zu behalten und nach einer Lösung zu suchen. (Das war jetzt keine Einladung zur engeren Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen wie unserem Institut für Gesundheit und Tourismus Management in Bad Gleichenberg, aber das wäre zumindest eine von vielen spannenden Möglichkeiten ;-)

    Stilistisch wäre es opportun hier zu enden. Ich möchte aber noch kurz auf zwei Argumente von Dir eingehen, die ich ebenfalls für fragwürdig halte:

    „Westliche Touristen waren über Jahrzehnte die einzigen Reisenden. Das hat sich in den vergangenen Jahren ganz entscheidend geändert!… Noch immer konzentrieren sich allerdings unsere „Tourismusbetrachtungen“ oft nur auf „uns“, TouristInnen aus dem Westen. Eine ausschließlich westliche CSR-Initiative, die nicht (auch) eine weltweite Perspektive einnimmt und diese Entwicklungen einbezieht, ist wenig wirksam!“ (C. Hlade)

    Dein Argument für die Relativierung der eigenen Verantwortung bedient sich des Hinweises auf das schädigende Verhalten Dritter. Aus ethischer Sicht ist diese Argumentation höchst problematisch, denn sie unterstellt folgende Logik:

    Wenn viele andere etwas tun, was problematisch ist, fange ich erst an, mit dem gleichen (problematischen) Verhalten aufzuhören, wenn diese damit aufhören.
    Diese Sichtweise (die Du ganz sicher nicht so gemeint hast), wäre, konsequent gedacht, eine moralische Bankrotterklärung, indem sie die „Goldene Regel“ („Was Du nicht willst, was man Dir tu‘, das füg‘ auch keinem Andern zu“) aufhebt und das alte Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ beschwört: Solange Dritte etwas Schlechtes tun, darf ich es auch tun…

    Diese Sichtweise setzt sich üblicherweise in Zeiten von gravierenden Umbrüchen durch, wenn Katastrophen den Glauben der Menschen an jegliche Ordnung und jeglichen Sinn erschüttern, etwa zu Zeiten von tödlichen Epidemien oder Bürgerkriegen, wenn die Massen zu plündern, rauben und morden beginnen. Doch bedeutet dies, dass dieses Verhalten „ok“ sei, dass es also gutzuheißen sei, etwa dass es einer zukunftsfähigen Lebensweise zuträglich sei?

    Ethik orientiert sich niemals allein daran, was alle andere tun (das wäre Moral, also überkommene Sitten), sondern daran, was ich selbst vor dem Hintergrund meiner Prägung, meiner Erfahrungen und meines kritischen Denkens angesichts der erkannten Auswirkungen meines Handelns selbst vertreten kann. Es geht um mich selbst, um mein höchstpersönliches Urteil – und das konsequente Handeln – im Rahmen meiner Möglichkeiten.

    Es ist leichter in Gesellschaft von gleichgesinnten Heiligen zukunftsfähig zu handeln als in einer Zeit wie während des NS-Terrors. Damals bedeutete das Eintreten für persönliche Überzeugungen den sicheren Tod (wie im Fall von Franz Jägerstätter).

    Wohlgemerkt:
    Niemand darf sich anmaßen von einem anderen Menschen die Einhaltung von ethischen Standards einzufordern, allein darum nicht, weil er nicht weiß, wie der andere Mensch die Welt sehe, sie bewerte, und welche Handlungsmöglichkeiten er habe.

    Vielmehr ist jeder nur sich selbst, seinem eigenen Maßstab, seinen eigenen ethischen Möglichkeiten verpflichtet. Jeder muss vor seiner eigenen Tür kehren.
    Sich jedoch aktiv an Verhaltensweisen zu beteiligen, die man als problematisch erkennt, und dies damit zu rechtfertigen, die anderen würden dies auch tun, ist nirgendwo auf der Welt ein Rechtfertigungsgrund, auch nicht im Strafrecht. Es ist allenfalls ein Milderungsgrund, vor allem aber eine billige Ausrede.

    Es erschiene mir fair zu sagen:
    „Als verantwortungsbewusster Tourismusunternehmer finde ich derzeit für das Problem des Klimawandels keine befriedigende Lösung, weshalb ich derzeit meine Energie lieber darin investiere dort Probleme zu lösen, wo ich effektiver und wirkungsvoller zur nachhaltigen Entwicklung beitragen kann (und das tut Weltweitwandern definitiv!).“

    Hättest Du, Christan, Dich jedoch vor 15 Jahren daran orientiert, welche Standards andere Touristiker weltweit verfolgen, dann hätte es Weltweitwandern in seiner heutigen Form wahrscheinlich niemals geben. Darum beruhte dieses Argument von Dir wohl auf einem Missverständnis ;-)

    Und dies gilt auch für Dein letztes Argument:
    „CSR und Nachhaltigkeit im Tourismus kann und soll als Endziel KEIN freiwilliger Zusatz von nur einigen wenigen Reiseveranstaltern sein.“

    Ich höre aus diesen Worten einen müden Bergführer, der schon so weit hinaufgekommen ist und traurig zurück ins Tal blickt, wo all die anderen herumkrebsen. Ja, es ist einsam im Spitzenfeld, wo Pioniere einerseits um Anerkennung kämpfen, vor allem aber auch darum, dass der ewige Kampf endlich einfacher wird.

    CSR und Nachhaltigkeit als universeller Standard, welch ein schöner Traum! Wie jener vom ewigen Frieden, von der universellen Durchsetzung der Menschenrechte…
    Nur leider… gibt es keine globalen fairen Wettbewerbsbedingungen, so wie es nicht überall auf der Welt liebe, nette, wohlmeinende Menschen gibt; und all dies wird es wohl auch niemals geben. Ein Syrer in Aleppo, ein Slumbewohner in Rio, ein Öl-Tycoon in Texas – sie alle haben völlig unterschiedliche Start- und Lebensbedingungen, unterschiedliche Weltanschauungen, Prägungen, Bildungshintergrund. Sie haben unterschiedliche politische, geografische und wirtschaftliche Bedingungen. Wie sollen da gleiche Rahmenbedingungen herrschen?

    Es ist eine Ironie der Dinge, dass einige UNO-Milleniumsziele – also Nachhaltigkeitsziele – gerade auf die Herstellung eben dieser gleichen Rahmenbedingungen zielen.

    Das bedeutet:
    Gerade Dein CSR-orientiertes unternehmerisches Handeln durch Weltweitwandern ist ein wichtiger, unverzichtbarer Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen in benachteiligten Ländern – und damit ein Schritt zur Umsetzung Deiner eigenen Forderung, der Verbreitung von CSR als universeller Standard.

    Ursprünglich motiviert war jedoch Dein Handeln genau dadurch, was sich als Grundprinzip hinter Nachhaltigkeit und CSR versteckt:

    Die Welt etwas zu verbessern, weil eine Welt, auf der alle ihre Grundbedürfnisse befriedigen können, friedlichere sei und somit eine dauerhafter, zukunftsfähiger.

    Es sind Menschen wie Du, die den Glauben daran leben lassen, dass eine solche Welt möglich sei.
    Darin liegt das eigentliche Paradox von Nachhaltigkeit:
    Nachhaltigkeit entsteht, indem Menschen an etwas Höheres, schwer Greifbares, die Welt Heilendes glauben und aus dieser Überzeugung heraus handeln. Dies verändert die Welt.

    Hören diese Menschen aber auf für diese bessere Welt zu kämpfen, weil sie merken, dass es bequem es sei andere auszubeuten, dann verschwindet auch der Traum von Nachhaltigkeit.

    Du beklagtest, dass jene, die sich wie Weltweitwandern darum bemühen ihrer Verantwortung gerecht zu werden, neben den Übrigen, die auf jegliche soziale und ökologische Verantwortung pfeifen, die „Blöden“ seien.

    Dem widersprechen die Fakten (und Deine eigene Biografie): Du warst und bist glücklich darüber, was Du aus tiefer Überzeugung heraus geschaffen hast; und eben dies wird auch durch wirtschaftlichen Erfolg belohnt: die WWW-Buchungszahlen gehen hinauf. Das ist kein Zufall, sondern ein zentraler Zusammenhang:

    Weltweitwandern hat einen Namen.
    – Weltweitwandern steht für einen verantwortungsbewussten, zukunftsweisenden und innovativen Tourismus.
    – Weltweitwandern steht für enkerltaugliches Wirtschaften.
    – Weltweitwandern steht für höchste Qualität.
    Doch Weltweitwandern steht nicht für kurzfristige Gewinnmaximierung.

    Natürlich buchen die meisten Kunden Weltweitwandern-Produkte, weil sie toll sind. Aber sie sind toll, weil sie durch und durch von einer Haltung der Achtsamkeit und Weitsichtigkeit geprägt sind.

    Doch eben dieser Wettbewerbsvorteil wäre passé, wären CSR und Nachhaltigkeit global gesetzlich verpflichtend wäre. Aber keine Sorge, dieses Problem wird Weltweitwandern so schnell nicht haben….

    Wer kurzfristige Gewinnmaximierung anstrebt, muss die herrschenden Wettbewerbsbedingungen konsequent ausnutzen. Dazu muss man radikal anders wirtschaften als Du es tust, auch in einer anderen Branche. Besonders „nachhaltige Gewinnmaximierung“ versprechen der Waffen-, Drogen- und Menschenhandel, wo der Erfolg umso größer ist, je weniger man sich um CSR und Nachhaltigkeit kümmert. Man verdient sehr schnell sehr viel Geld, dafür aber kein Ansehen als wertvoller Menschen, wie der Film „Lord of War“ mit Nicolas Cage illustriert…

    Darum bin ich überzeugt, dass auch dieses Argument von Dir Ausdruck eines verständlichen Seufzens eines hochgradig engagierten Unternehmers ist, der immer wieder auf Grenzen, Widersprüche und Probleme stößt. Es wäre halt manchmal schön, wenn es leichter ginge (wird es nicht, sorry!), und man darf sich ruhig auch mal etwas wünschen. Immerhin war ja Weihnachten…

    Was folgt aus all dem im Hinblick auf die Frage, was „Nachhaltigkeit“ sei, heute, zu Beginn des UN-Jahres des „Nachhaltigen Tourismus für Entwicklung“?

    Nachhaltigkeit beruht wie jedes normative und somit wertorientierte Konzept in letzter Instanz auf letzten, nicht weiter begründbaren und somit unbeweisbaren Grundannahmen:

    davon, „was die Welt im Inneren zusammenhält“, wie wir leben sollen, was das Gute sei. Es sind Glaubenssätze, die sich in der Lebenspraxis bewähren müssen, und die darum immer wieder in Frage gestellt werden. So musste ich etwa im Zuge meiner Forschungsaufenthalte bei den Tuaregnomaden feststellen, dass sich Kants Kategorischer Imperativ oder die Diskursethik von Habermas scheinbar nicht auf Gespräche mit den Wüstenkriegern anwenden ließen. Dies brachte mich anfangs zur Verzweiflung, führte mich aber schließlich dazu weiter über einige Fragen nachzudenken wie…

    Was ist überhaupt Nachhaltigkeit? Für wen, und warum? In welchem Zusammenhang? Im Hinblick worauf? Und wer darf überhaupt für sich beanspruchen Nachhaltigkeit zu definieren?

    Als eine Folge meiner Suche nach Antworten sehe ich heute im Diskurs um Nachhaltigkeit im Tourismus vieles anders, bin bei meinen Erwartungen an die Menschen viel pragmatischer, aber auch verständnisvoller, vielleicht auch resignierter? geworden.
    Auch ich bin mit vielen Hoffnungen und Erwartungen, ob an mich, an meine Mitmenschen, an unsere Gesellschaft, an diese Welt, gescheitert….

    Aufgegeben habe ich jedoch nicht. Im Gegenteil: Ich suche weiter nach besseren, brauchbareren Antworten und Lösungsansätzen, auch für die Frage nach der Vereinbarkeit von Ferntourismus und Klimawandel.

    Dabei bin ich sogar so „widersprüchlich“, dass ich im Februar mit großer Freude nach Marrakesch fliegen werde, um gemeinsam mit Dir und Deinen weltweiten Kollegen eine Woche lang in der Wüste zu wandern und über Nachhaltigkeit im Tourismus zu diskutieren. Ich werde einstweilen für den Flug meine Emissionskompensation zahlen und damit mein Gewissen beruhigen – und im Verbund mit Menschen wie Dir weiter nach Lösungen suchen…

    Denn das Leben ist wunderbar widersprüchlich, Insh Allah.

  • Christian Hlade

    Lieber Harald!
    Ich muß dir sagen: Du hast recht mit deinen Kritikpunkten und ich fühle mich durch dich nun durchaus „angestachelt“ da nicht zuuu bequem zu werden und auch immer wieder neu nachzudenken. Das heurige Jahr ist da ohnehin ideal dafür und da erhoffe ich mir ohnehin viele neue Inspirationen und Anstöße…
    Wo ich dir ein wenig unrecht gebe ist in den Bereichen, in denen du Weltweitwandern fast ein wenig glorifizierst… Sooo perfekt sind wir nicht.
    UND – mal ganz ehrlich: Das Ziel für mich war am Beginn meiner Firmengründung – und auch jetzt noch ja niemals allein „CSR“ oder „Nachhaltigkeit“. (Ich glaube vor 15-20 Jahren kannte ich das Wort kaum…)
    Meine Vision und mein Ziel war und ist: Meine eigene Erfahrung von Kulturbegegnung und die Möglichkeit eines Austausches mit anderen Kulturen auf Augenhöhe – wie ich das bei meinen Reisen und auch beim Schulprojekt in Ladakh kennenlernen durfte – auch anderen zugänglich zu machen.
    Diese resepktvolle Neugier, die Möglichkeit des voneinander lernens, die Möglichkeit der wechselseitigen Inspiration: Das sind meine Triebfedern, mein Feuer, das mich antreibt.
    „Nachhaltigkeit“, „Enkeltauglichkeit“ – so extrem wichtig ich das alles finde – sind die dahinterliegenden „Basisfaktoren“ hinter der Neugier auf Begegnungen, Erfahrungen, Austausch,….
    Ist das zu nüchtern?

    Freu mich schon auf unseren gemeinsamen Workshop im Februar / März mit viel Zeit zum Austausch…

    Christian

    PS: Ich habe mit meiner Antwort ein wenig gebraucht, weil die Länge und der Inhaltsreichtum deiner Betrachtung auch durchaus Zeit zum Lesen und Verdauen von mir erforderte… ;-) – ich bin ja erst seit 1 Tag im Büro inkl. Lawine von „To-Dos“…

  • Paul Lahninger

    Kompensation für Flugreisen:
    über https://www.atmosfair.de/ könnt Ihr einen Ausgleich für Flugreisen als Unterstützung für Klima-Bilanz-Projekte vornehmen. Ich denke, ein Unternehmen wie Weltweitwandern wird es noch weiter aufwerten, wenn in jedem Angebot die Kompensation für Flüge gleich mitkalkuliert ist.
    Ich finde, ein Lebens- und Urlaubs-Stil, der sich am ökologischen Fußabdruck orientiert, hat sehr sehr hohe Priorität. so buche ich nur etwa alle 3 Jahre eine Flugreise (und habe natürlich kein Auto usw.).
    Alles Gute für uns! Paul

  • Jutta Hübener

    Guter Beitrag! Fernreisen und umweltverträglich sind in der Tat ein Widerspruch und ich habe auch immer damit zu kämpfen, wie ich damit umgehe. Ich selbst bereise die Strecke Barcelona – Bonn oft mit dem Zug. Das ist aber 4mal so teuer wie mit dem Flieger und ist für Familien und andere nicht wirklich eine Alternative.
    Für diese Strecke Deutschland – Spanien empfehle ich deshalb oft meinen Kunden, lieber mit dem Auto anzureisen, was im Vergleich zum Flug deutlich weniger schädigend ist.

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