Das war echt eine heftige, eine spannende und herausfordernde Reise, die da gerade hinter mir liegt und die nun „verdaut“ werden muss:
Auf Einladung einer palästinensisch-israelischen Kooperation war ich Teil einer sehr speziellen Reise für JournalistInnen und ReisveranstalterInnen, die uns an viele Orte in Palästina (Westjordanland) und Israel führte.
Täglich hatten wir die Möglichkeit viele spannende Projekte, Menschen und Orte kennenzulernen.
Die Aha-Erlebnisse waren häufig, die Verwirrungen und die Fragezeichen in meinem Kopf sind immer mehr geworden. Irgendwann kam die Erkenntnis, dass „Schwarz-weiß“ – Bilder für eine Beurteilung des Konfliktes Israel – Palestina nicht wirklich tauglich sind.
Es gibt einfach zu viele Schattierungen – es gibt kein „homogenes“ Israel, nicht ein Palästina, sondern tausende…
Auch die Suche nach dem „bad guy“ ist hier echt schwierig, weil beide Seiten arge Sachen machen (gemacht haben) und weil auch die Erklärungen und Hintergründe beider Seiten dafür oft einleuchtend klingen…
Die Israelis und die Palästinenser „mögen“ sich nicht?
Die Ausgangslage vor Ort hier in Israel und Palästina ist denke ich bekannt und das widerspiegelt sich auch fast täglich in unseren Nachrichten:
Die Israelis und die Palästinenser „mögen“ sich nicht.
Jede Partei möchte den jeweils anderen am Besten „weg“ aus dem „eigenen“ Land haben.
Das ganz wird noch weiter verstärkt durch unsere Medien, die laufend mit starken Bildern über den Konflikt berichten.
(Lustiger weise gibt es daneben ja haufenweise Gemeinsamkeiten in Kultur, in der Küche und in der Musik… Und auf unserer Reise sind mir viele Freundschaften zwischen Israelis und Palästinensern begegnet…)
Wirklich genial war jedenfalls das Reisekonzept unserer „Fair Travel Palästina & Israel“ – Erkundigungsreise, die gerade hinter mir liegt:
In 5 Reisetagen hatten wir die Gelegenheit eine große Menge an Menschen, NGOs, Unternehmen, Initiativen auf beiden Seiten in Palästina und Israel zu treffen.
Sie alle haben uns ihre eigene Sichtweise auf den Konflikt aus ihrer jeweiligen Perspektive geschildert. Wir konnten dann immer Fragen stellen. Die Antworten waren teils verstörend.
Was genial dabei war: Es wurde eigentlich nicht „diskutiert“, nicht „DIE“ Lösung gesucht.
Es gab auch keine einseitige Moderation, die dann für uns alles „erklärt“ hat.
Die Menschen haben uns ihre Geschichten erzählt.
Über viele Tage hinweg bekamen wir einfach nacheinander verschiedenste „Wirklichkeiten“ serviert, unkommentiert. („einfach“ war das aber gar nicht…):
+ Die Wirklichkeit der Palästinenser in den von Israel besetzen Gebieten des Westjordanlandes mit all den täglichen Demütigungen und Ungerechtigkeiten durch die Besatzungsmacht…
+ Die Wirklichkeit der Israelis mit der Angst vor Attentaten und der großen Bedrohung von Israel durch viele feindlich gesinnte islamische Nachbarländer…
Das alles könnte man ja auch gut nachlesen, das bringt aber irgendwann auch nur mehr die Bestätigung der festgefahrenen und hinlänglich bekannten Fronten.
Was bei einer Reise dazukommt sind das erleben der vielen normalen „Alltagsdinge“ und auch auf extrem tolle, mutige Menschen zu treffen, die sich für einen Frieden einsetzen. (z.B. Ronnie Kedar / The Other voice)
Zu sehen, wie sowohl Israelis und die Palästinenser ja doch in ihrem täglichen Alltag möglichst pragmatisch versuchen einfach glücklich und möglichst „normal“ zu leben.
Wie viele „inoffizielle“ Freundschaften und Begegnungen es ja zum Glück zwischen den beiden Völkern ja doch (noch) gibt.
Tolle Initiativen, die Begegnungen ermöglichen zu erleben (z.B. Lifegate).
Zu spüren wie viel Verbindendes neben all der „Trennungs- und Vernichtungsrethorik“ der Politiker auf beiden Seiten doch auch da ist.
Wie wundeschön das Land hier ist, die Wüste, die Menschen.
Diese echt unglaubliche Vielfalt der Kulturen und Religionen auf so engem Raum!
Auch die Organisation dieser Reise war beispielhaft und war eine Kooperation eines israelischen Resieveranstalter mit einer palestinensischen NGO. Die beiden Organisationen haben das Ziel durch Wirtschaftskooperationen gerade auch im Bereich Tourismus die beiden Völker vermehrt zu verbinden.
Die Route unserer sehr besonderen Reise führte tief hinein nach Palästina: nach Nablus, Jenin, Jericho, Bethlehem, Ramalah – aber auch ins Herz von Israel: nach Tel Aviv, in verschiedene Kibbutze, nach Jerusalem und in die Negevwüste.
Was für mich dazu persönlich ganz einschneidend war:
Dieser Konflikt hier hat auch SEHR VIEL mit mir selbst zu tun!
Da sind Mechanismen am Werk, die auch ich sehr gut selbst in mir kenne:
1) Meine eigenen Vorurteilen gegenüber „ANDEREN“ als Pauschalurteil.
„Die“ Juden, „die“ Muslime, „die“ Ausländer, …
Wenn ich dann genauer hinschau, vor allem wenn ich dann verschiedenste Menschen dieser „Pauschalmenge“ kennenlerne löst sich das Pauschalurteil dann immer sehr schnell auf.
2) Auch eine Konfrontation mit meinem eigenen „SCHWARZ – WEISS“ – Denken:
Es muß doch EINE „böse Seite“ und EINE „gute Seite“ geben.
Wer ist „schuld“, wer ist der/die „Leidtragende“?
Wo ist die EINE Wirklichkeit, die EINE Warheit?
3) Für jede Person, die wir getroffen haben ist seine eigene Geschichte, seine eigene Wahrnehmung seine persönliche Wirklichkeit und Wahrheit. Es gibt gerade hier in Palästina und Israel ganz unterschiedliche „Wirklichkeiten“ und Wahrheiten, die wirklich hart aufeinanderknallen und sich sehr oft diametral entgegenstehen.
Es ist oft unmöglich zu sagen, welche Wirklichkeit die „richtige“ ist.
(Aber ist das nicht auch in meiner eigenen Welt zu Hause manchmal so?)
Phu – Reisen sind schon echt wertvoll und wichtig – auch wenn nicht immer nur angenehm ist…
meint grad ein sehr nachdenklicher Christian.
Noch ein Tag am Toten Meer, dann gehts eh wieder nach Hause und dort wieder in eine neue, eine weitere Wirklichkeit…
PS: Ich muss am Ende aber unbedingt erwähnen, dass es unglaublich schön ist hier, dass das Essen hier echt genial gut ist, dass es traumhaft schöne Wanderungen gibt und die Dichte an großen geschichtlichen Ort der Region schier unglaublich ist…
Für Weltweitwandern arbeiten wir schon an einem Programm, dass all diesen Aspekten gerecht wird. Das wird nicht leicht…
Danke Zachi, Georg und Gedi, Ibrahim und allen hier in Israel und Palästina für die Gastfreundschaft und die tolle Organisation! Danke allen TeilnehmerInnen unserer Infotour für die schöne Gemeinschaft und meiner Frau Carmen für das Teilen der Eindrücke.
Danke, Christian, für diese präzise Darstellung unserer großartigen Reise. Ich hab unsere Tour genauso empfunden und freu mich, wenn es uns gelingt, das eingefahrene Schwarz – Weiß / Gut – Böse- Schema zu überwinden, bei uns selbst und bei unseren Lesern / Kunden.
Herzliche Grüße aus dem grauen Wien
Elo
Lieber Christian,
vielen Dank für deine tief gehenden Gedanken zu unserer wirklich anspruchsvollen Reise. Obwohl ich mich mit vielen zeitgenössischer Literatur aus Palästina und Israel vorbereitet hatte, haben mich die Eindrücke und Einblicke ebenso überwältigt wie verwirrt. In meinem Kopf ist immer noch ganz schön was los – ich hoffe, das legt sich nie! Viele Grüße auch an Carmen – wir sehen uns ja gewiss auf der Ferienmesse. Alles Liebe, Susanna
Lieber Christian!
Ich habe gestern 18.11.2015 in Ambiente von dieser Reise mehr gehört. Wir veranstalten in Eferding ja am 26. Februar eine kleine aber feine Reisemesse (nachhaltig und solidarisch). Bietet Weltweit- wandern diese Reise, die du da gemacht hat und die gestern vorgestellt wurde) jetzt an?