Etwas ist verborgen.
Geh – entdecke es.
Geh und sieh’ nach, was hinter dem Gebirge ist.
Etwas ist hinter den Bergen verloren gegangen.
Es ist verloren gegangen und wartet dort auf Dich.
Geh!
Rudyard Kipling

Blitzlichter aus meiner Kindheit

Wie viele österreichische Kinder MUSSTE ich am Wochenende oft mit meinen Eltern wandern gehen. Es waren eher Spaziergänge mit vor- oder nachgelagertem Gasthaussitzen.
Das langweilige Spazierengehen und dann das lange Sitzen im Gasthaus waren für mich damals schrecklich faaaaad.
Die Wege meiner Eltern waren nicht so die meinen…
Nicht nur die Wanderwege, auch die anderen…
Wie und wo ist mein Weg?
Schon damals interessierten mich brennend die Berge am Horizont, der Wald jenseits des Weges. Was da wohl dahinter noch kommt? Etwas entdecken! Einen Schatz? Ein Abenteuer?

Lesen: Abenteuer im Kopf

Wenn ich nicht mit den Eltern Wandern gehen MUSSTE, hab ich gelesen.
Ich habe Bücher richtiggehend verschlungen.
Die Fantasie-Reisen von Jules Verne, Karl May, die Fantasywelten von Tolkien, und etwas später dann die „echten Reisen“ von Heinrich Harrer, Sven Hedin und Herbert Tichy.
Die Themen waren ja in all diesen Büchern ähnlich: Sehnsucht nach fremden Ländern, Begegnungen mit anderen Wesen/Menschen, Abenteuer, Freiheit, Ungebundenheit, Weite, Unbekanntes erforschen, etwas Außergewöhnliches erleben.

Blitzlicht: Früher Tagebucheintrag

Inspiriet durch ein frühes Ratgeberbuch von Josef „Joki“ Kirschner schrieb ich mit 15 Jahren meine damaligen Lebensziele in mein Tagebuch:
„Ich will einmal von meinen Träumen leben können.
Ich will mit meinen Hobbys Geld verdienen.
Ich will viele Reisen machen und Dinge entdecken…“

Ich war sehr neugierig und sicher auch gewaltig naiv mit meinen 15 Jahren.
Ich hatte zudem außergewöhnlich viel Energie und Entdeckergeist, der bald darauf nicht mehr zu bremsen war.
Ich wollte unbedingt andere Länder sehen und vor allem ganz andere Arten zu leben kennenlernen. Daher zog es mich sehr schnell über die Grenzen von Europa hinaus:

Selbst nachschauen gehen. Meine erste Reisen.

1979 Mit 15 Jahren Sprachferien in London inkl. Besuch des legendären Open-Air Rockkonzertes in Knebworth mit angeblich 200.000 ZuseherInnen: Led Zeppelin!
WOW war das psychedelisch!
Die Entdeckung der „Flower Power Area“ und der „Hippiezeit“ hat mich sehr geprägt. Kurz darauf hatte auch ich selbst lange Haare – siehe auch das Bild unten mit 16 Jahren.

1980: Mit 16 Jahren dann allein per Autostopp von Griechenland in die Türkei bis ans schwarze Meer. (Die Eltern wussten damals nur von der Griechenlandreise mit meinen Freunden…)
Entdeckung der großen Gastfreundschaft der Türken, die ich mich extrem berührt hat. Ich war damals sehr beschämt, weil ich in Österreich den zum Teil sehr abwertenden Umgang mit unseren Gastarbeitern mitbekam. Und genau diese Türken waren sooo extrem gastfreundlich zu mir!

Der junge Christian Hlade mit 16 Jahren unterwegs in die Türkei

1981: Mit dem Interrailticket über Belgien, Frankreich bis nach Marokko. Weiter ging es nicht mehr.
Schon wieder in den Orient!
Meine Suche nach ganz anderen Arten zu leben, nach dem maximalen Unterschied zu unserer westlichen Lebensweise.

1982:
Im Sommer nach Tunesien in die Wüste. (Kamele, Wüste, Oasen, Salzseen mit Fata Morganas – wie bei Karl May!)
An den Wochenenden per Autostop nach Wien zu Rock-Konzerten (Flower Power – eine andere Art der Gesellschaft)  und über Ostern per Autostop in die Toskana. (WOW – diese Gestaltung der Landschaft durch Baukunst!)

...mit 17 Jahren per Autostop nach Wien zum Konzert der Gruppe "The Who".

1983: Matura!
Erst jobben für die Reisekasse und dann für 4 Monate nach Indien, Nepal und Sri Lanka…
Auf meiner Trekkingtour in Nepal zum Annapurna Basislager las ich zum ersten Mal Tolkiens „Herr der Ringe“.
Die Nepal-Trekkingtour bekam dadurch für mich zusätzlich noch eine „Fantasy-Ebene“. Ich war nicht „nur“ unterwegs in Nepal, ich erlebte auch die Abenteuer der Hobbits in Mittelerde und kämpfte mit für den Sieg des Guten….

Spannend war es für mich dann etwas später zu erfahren, dass Tolkien wirklich längere Zeit in genau dem Gebiet in Nepal verbracht hatte, bevor er seinen Roman „Herr der Ringe“ schrieb….

Zudem waren auch meine Mitreisenden & Weggefährten extrem spannend:
Australier – die oft 2 Jahre lang unterwegs waren, indische Pilger, ausgeflippte Israelis nach dem Militärdienst, Aussteiger, Studenten, Entwicklungshelfer ….
Jede Begegnung zeigte mir eine ganz neue Art zu leben auf….
WOW – das war echt total spannend!
Ich erlebte intensive Gespräche und Lebensberichte. Ich kam vielen Menschen auf Reisen in wenigen Stunden sehr viel näher als zu Hause vielen Bekannten selbst nach Jahren!

1986: 3 Monate durch Südchina & Tibet, großteils zu Fuß durch Sperrgebiete in Osttibet.
Heinrich Harrer, Herbert Tichy und Sven Heddin – aber auch der Roman „Lost Horizon“ über Shangrila von James Hilton  hatten in mir eine starke Sehnsucht nach Tibet ausgelöst. Meine „Sehnsuchts-Bilder“ im Kopf wollte ich unbedingt vor Ort überprüfen!
Auch hier waren es dann auch meine ReisegefährtInnen, die Begegnungen am Weg, die einen wichtigen Teil dieser Reise ausmachten. Neben tibetischen Pilgern am Weg zum Kailash traf ich z.B. eine Kalifornische Künstlerin, schwedische Jungs – die ständig auf der Suche nach Bier waren, eine Sozialarbeiterin aus Amsterdam, in Tibet arbeitsuchende Chinesen, uvam.
Ich erfuhr durch diese intensiven Begegnungen viel von Tibet aber auch eine Menge von Europa und den USA! Ich lernte eine große Zahl persönlicher Lebensentwürfe kennen.
Gerade das war für mich einer der bereichernsten Erfahrungen meiner frühen Reisen.
Mein Blick auf Österreich, meine Einstellung zum Begriff „Heimat“ veränderte sich zudem mit jeder Reise.

Den großen und bleibenden Eindruck, den Tibet wohl auf alle Europäer gemacht hat, die das Glück hatten, dieses Land kennen zu lernen, liegt in der unendlichen Größe seiner Landschaft.
Doch ist es unmöglich Tibet mit Worten oder aber auch nur mit Bildern anderen nahe zu bringen. Man müsste all die Stimmungen erzählen, die man in dieser Landschaft erleben durfte. Sie sind aber flüchtig sie tauchen auf, erfüllen einen ganz und verschwinden wieder, sie lassen sich nicht festhalten.
Und vielleicht ist die Sehnsucht nach Tibet, die jeden begleitet, der es einmal erlebt hat, nur die Sehnsucht nach den Gedanken und Gefühlen, die dieses Land in ihm ausgelöst hat? Herbert Tichy aus „Zum heiligsten Berg der Welt“, 1937

1989 – heute: zahlreiche Reisen nach Ladakh
In Ladakh fand ich dann in Lingshed „mein“ Sehnsuchtsdorf hinter den Bergen.
Und errichtete mit den Dorfleuten zusammen dann 2000 eine solarbeheizte Schule.
Das Projekt ermöglichte mir eine intensive Zusammenarbeit mit Menschen aus einem entlegnenen Himalayadorf und spannende Einblicke in das Leben dort.
Die Gründung eines Vereines in Österreich verschaffte mir viele neue Kontakte und spannende Begegnungen auch in meiner Heimat.

Wie hängt das alles Zusammen?
Was ist HEUTE und JETZT meine Reisemotivation?

Wenn ich da also so in meiner Vergangenheit wühle, dann spielen als Reisemotive für mich auch heute folgende Themen eine große Rolle:

  • Für mich etwas entdecken: Andere Arten zu leben, andere Kulturen – aber auch die Vielfalt und die unerhörte Schönheit unserer Welt selbst zu sehen.
  • Begegnungen, anderen Menschen nahe kommen – In kurzer Zeit tiefe Einblicke in fremde Schicksale bekommen. Sehr viele verschiedene Arten das Leben zu meistern kennenlernen. Da gibt es echt eine riesige Bandbreite!
  • Globale Zusammenhänge hautnah erleben, sehen, verstehen
  • Zeitreisen: Auf den Spuren von Schriftstellern, historischen Berichten, Personen.
  • Reisen als Spurensuche von Mythen: Shangrila (Ladakh & Tibet), Atlantis (Madeira, Island, Azoren,..), Paradies (Kolumbien, Cuba,…), Schöpfung (Island, Hawaii, Wüsten, Hochgebirge,)
  • Von den Reisen etwas mitbringen, das das eigene Leben bereichert: Erfahrungen, Freundschaften, Toleranz, Weitblick, neuer Blick für das Ganze,…


Ein schöner Text über mich persönlich (C: Franz Hirschmugl)

Ich wollte zunächst als Lebenserwerb Häuser bauen.
Geworden ist es zuerst einmal eine Schule in Nordindien.
Weil ich die Magie der Begegnungen in Ladakh dem Alltag im Architekturbüro vorgezogen habe.

So bin ich weggegangen. Und angekommen. Und habe dabei das Wandern entdeckt. Weniger als eine Art der Fortbewegung, vielmehr als Lebensphilosophie.

Später habe ich begonnen, diese Lebensphilosophie mit anderen zu teilen.
Gemeinsam weggehen. Gemeinsam ankommen.

Das war die eigentliche Geburtsstunde von Weltweitwandern:
Die Erfahrung, dass es viele Menschen gibt, die diese Lebensphilosophie teilen möchten.

Sich immer wieder aus den Zwängen des Alltags zu lösen und vorsichtig einzutauchen.
In ungewohnten Kulturen, in fremde Landschaften, auch in berührende Begegnungen.

Um durch die Langsamkeit und die Achtsamkeit des Wanderns letztlich sich selbst näherzukommen.

Niemand, der richtig reist kommt unverändert zurück.
Das Reisen verändert den Menschen.
Reisen ist in jedem Fall eine Art sich auszusetzen.
Eine Art sich zu entkonditionieren und den Panzer der bequemen Gewohnheiten,
der so wunderbaren Halt gibt, abzulegen.
Dann erst fängt alles an:
Wahrnehmung, Erfahrung, Veränderung.
Das Reisen wird mehr als das bloße Aufsuchen von Sehenswürdigkeiten.
Nichts wird mehr selbstverständlich.
Jeder Gang geht in eine Welt,
die neu ist, wie der erste Tag in einem fremden Land.
(Aurel Schmidt – Wege nach Unterwegs)

Comments ( 8 )

  • greta

    Lieber Christian, ich habe deine Gedanken mit Aufmerksamkeit und vielen Aha -Erlebnissen gelesen, mir ging es in der Kindheit wirklich genauso: Spazierengehen, Eltern, Gasthaus, schrecklich: Nie in der Form erwachsen werden, war meine Devise…und selbst bestimmen, wie und wohin ich reise..und auch bei mir waren es vor allem Indien, Nepal.. aber das weißt du sowieso.-
    Das mit dem „Staunen bewahren“ ist mir zum Glück geblieben!!!
    Best wishes for Cuba
    Greta

  • Maria Katelieva

    Das ist eine tolle Frage, die ich mir auch jeden Tag stelle :). Das ist auch eine der Fragen, mit der sich die sogenannte Anthropologie des Tourismus befasst. Die beste Erklärung der „Theoretiker“, die ich so weit gefunden gabe, ist folgende: Der Alltag in unserer modernen Gesellschaft lässt sich durch „oberflächliche“ Erlebnisse und Entfremdung charakterisieren und dadurch steigt das Bedürfniss nach „echten“, „authentischen“ Erlebnissen und Begegnungen mit Menschen…Jeder Mensch hat natürlich seine eigene Motive, aber ich finde daсs dieser Grund ein bisschen in jedem von uns steckt…
    Ein tolles Buch zu diesem Thema: „Тhe Art of Travel“ von Allain de Botton :)
    lg,
    Maria
    p.s. Super Blog und sehr interessante Themen :)

    • Christian Hlade

      Liebe Maria!

      Danke für den Buchtip – das Buch werd ich mir sofort besoren, allein der Titel klingt gut.
      lg Christian

  • Romana

    Lieber Christian,
    vielen Dank für diese schönen Gedanken und dass du sie teilst. Ich kann mich besonders da sehr gut wiederfinden: „Ich erlebte intensive Gespräche und Lebensberichte. Ich kam vielen Menschen auf Reisen in wenigen Stunden sehr viel näher als zu Hause vielen Bekannten selbst nach Jahren!“

    Wunderbar, dass du deinen Traum leben kannst und dir die Wünsche aus deinem Tagebuch erfüllen konntest. Ich glaube, es erfordert viel Mut & die Gabe, trotz all dem Trubel um einen herum, in sich hineinzuhören und genau zu lauschen, was man eigentlich im Leben möchte.

    Und die Fotos… ein extra Zuckerl ;)

    Ales Gute weiterhin,
    Romana

      • n.e.

        Hallo,

        ist es möglich meine Klarnamen aus dem Kommentar zu nehmen oder abzuändern in N.E.?
        Wenn nicht, ist es möglich, den Kommentar auf unsichtbar zu schalten oder sogar zu löschen?

        Es ist mir ein persönliches Anliegen.

        Liebe Grüße!

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